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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Gestalten erschienen zwischen den brennenden Gebäuden, hager und grau, nackte, geschlechtslose Humanoiden, wie Roboter, die nicht aus Metall und Kunststoff bestanden, sondern aus Fleisch und Blut, mit maskenhaft starren Gesichtern und klobigen Waffen in den langen, schmalen Händen. Überraschend flink kletterten sie über Trümmer, sprangen durch Flammen, hoben ihre Waffen und schossen auf die Kämpfer, mit denen Florence gekommen war.
    »Gefallen dir meine Soldaten, Zach?«
    Die Welt hielt den Atem an und erstarrte in einem Tableau der Zerstörung. Die Flammen züngelten nicht mehr, ragten bewegungslos in zornigem Rot aus den Gebäuden. Die Splitter einer kristallenen Wand, die gerade von einem Blitz getroffen war, hingen wie harte und scharfkantige Regentropfen in der Luft. Aus dem Dröhnen der Flugmaschinen wurde ein leises Summen, wie von einer nahen Mücke.
    Und dort stand er, der Seelenfänger, zwischen zwei brennenden Häusern, die Augen groß, auf Kinn und Wangen der Schatten eines Barts, die dünne Narbe wie ein Strich oben auf der Wange. Sie schien etwas größer zu sein als bei ihrer letzten Begegnung, und Zacharias fragte sich, woher sie stammte, was Salomo dort verletzt hatte. Nur Kronenberg begleitete den Seelenfänger: größer als er, das Haar fast so weiß wie Schnee, die Augen blau wie Eis und ebenso kalt, an der schiefen Nase eine dunkle Blutkruste. Sie ist nicht geheilt, dachte Zacharias und sah auf seine rechte Hand hinab. Er trug keinen Verband mehr, und deutlich zeichnete sich der entzündete Kratzer ab. Aber er tat nicht mehr weh, und die Wunde hatte sich geschlossen.
    »Wir könnten laufen«, zischte Florence leise. »Wir könnten es versuchen. Oder ein Sprung von hier aus …«
    »Ohne RV-Signal?« Zacharias schüttelte den Kopf. »Sinnlos.«
    Salomo und Kronenberg kamen näher.
    »Sie will dich zum Rollstuhl zurückbringen, Zach«, sagte Salomo, seine Stimme unterlegt vom monotonen Summen, das überall um sie herum in der Luft lag.
    Zacharias ging nicht darauf ein. »Dies ist nicht Prisma, oder?«, fragte er. »Zumindest nicht das richtige Prisma.«
    »Aber es sah gut aus, das musst du mir lassen, Zach. Die hübschen Kristalle, all die Farben …«
    »Du hast mich nur ablenken wollen«, sagte Zacharias. »Du hast mir Unsinn erzählt, mir Trugbilder gezeigt und die ganze Zeit über versucht, mich zu beeinflussen.«
    »Es waren keine Trugbilder, Zach. Ein Leben, wie du es dir wünschst, mit einem gesunden Körper, zusammen mit Florence, wenn nicht mit dieser, dann mit einer anderen … Ist das Unsinn?«
    »Mit einer anderen?«, fragte Florence.
    Kronenberg trat auf sie zu und zog ihr die Waffe aus dem Gürtelhalfter. »Die brauchst du nicht mehr, Teuerste«, sagte er und löste etwas aus Florences Instrumentengürtel, einen Gegenstand, der wie eine etwas zu groß geratene Patrone aussah. Der Tarnanzug, den auch sie trug – er hatte dort geflackert, wo er nicht von Ruß, Staub und Schmutz bedeckt gewesen war –, wurde so grau wie die Gestalten, die zwischen den brennenden Gebäuden zum Vorschein gekommen waren.
    »Zacharias weiß, was ich meine«, erwiderte Salomo und kam ebenfalls näher. »Nicht wahr, Zach? Ich hab sie dir gezeigt, deine Familie.«
    »Du hast mir viel gezeigt, aber alles war Illusion«, sagte Zacharias. Meine Hand heilt, dachte er. Ich bekomme die Kontrolle zurück. »Auch das hier war nur Spiegelfechterei.«
    »Was machen wir mit ihm?«, fragte Kronenberg und deutete auf den Mann, der Florence begleitet hatte.
    »Erasmus, nicht wahr?« Salomo wandte sich halb von Zacharias ab. »Er hat uns viel Ärger bereitet.«
    Der Mann stand reglos da, erstarrt wie alles andere, gefangen in einem zeitlosen Moment. Der größte Teil des Gesichts blieb hinter dem Visier verborgen. Nur der Mund war zu sehen, die Lippen zusammengepresst.
    Florence trat vor ihn. »Tun Sie ihm nichts«, sagte sie. »Zach …«
    »Zeig mir Prisma«, sagte Zacharias, und diesmal war er es, der die Hand ausstreckte und Florence am Arm ergriff. »Zeig mir all die glücklichen Menschen, die deine Freunde geworden sind.«
    »Freundschaft ist wichtig«, sagte Salomo. »Freundschaft und Freiheit, das biete ich. Die Alternative …«
    Das war neu, dachte Zacharias. »Ja?«, fragte er. »Was wäre die Alternative?«
    »Würde es dir gefallen, Maschinen gehorchen zu müssen?«
    »Maschinen?«
    »Wäre es für dich nicht so, als gerietest du vom Regen in die Traufe?«, fragte der Seelenfänger, während Kronenberg

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