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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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diese Welten … Sie waren wie die Früchte eines riesigen Baums, unter dem er stand. In Trauben und Büscheln hingen sie an seinen weit ausladenden Ästen und Zweigen: Manche konnte er erreichen, indem er sich auf die Zehenspitzen stellte und die Hände nach oben reckte; andere erforderten, dass er am Stamm nach oben kletterte, und dann über die Äste und Zweige. Und eine Frucht an diesem Baum – nicht so bunt wie die anderen, unscheinbar zwischen Blättern, die zwar das Sonnenlicht von ihr fernhielten, aber auch vor Blicken schützten – hieß Zuflucht.
    »Ich habe das Ziel gefunden«, sagte Zacharias. Er hörte den brüchigen Klang seiner Stimme und merkte plötzlich, dass er müde war, und das konnte er sich nicht leisten, nicht ausgerechnet jetzt. Er brauchte Kraft für das, was getan werden musste, obwohl er noch gar nicht wusste, wie er es anstellen sollte.
    Dort stand der neue Spiegel, der sich aus all den Splittern gebildet hatte, groß und breit genug, dass vier oder fünf Flüchtlinge nebeneinander den Übergang nach Zuflucht passieren konnten. Zacharias streckte die Hand aus, und als seine Finger das Glas berührten, kräuselte es sich wie eine Wasseroberfläche. Konzentrische Wellen gingen von den Fingerkuppen aus, bis zum Rand des Spiegels, und als er die Hand noch etwas weiter nach vorn schob, tauchten die Finger ein in das »Wasser«, das in Wirklichkeit wie eine Membran war; dahinter wartete die eine Verbindung im großen, wirren Knäuel des Transferknotens, die zum sicheren Ort führte.
    Der eigentlich noch kein sicherer Ort war – Zacharias musste ihn dazu machen. Er zögerte, für einen weiteren Moment hin und her gerissen zwischen seinen Wünschen und dem, was notwendig war.
    »Zach?«
    »Ja«, sagte er und erinnerte sich an Worte, die Salomo an ihn gerichtet hatte: Wahre Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit. Es gab ein anderes Wort dafür, und es hieß Verantwortung. Jeder musste sich seiner Verantwortung stellen; wer davor floh, war ein Feigling, und Zacharias wollte kein Feigling sein.
    Und doch …
    Grünes Hügelland wartete im Spiegel, durchzogen vom silbernen Band eines Flusses. Wälder säumten seine Ufer, und weiter hinten, vielleicht zwanzig Kilometer entfernt stieg das Gelände steil an. Die Felsfront eines Gebirges ragte dort auf, und ein in drei Arme geteilter Wasserfall speiste den Fluss. Auf der linken Seite, auf einem großen Tafelberg, erhoben sich die Ruinen einer Stadt, mit Mauern wie von der Sonne gebleichte Gebeine – Lily hatte darauf hingewiesen, dass diese Welt schon einmal die Zuflucht von Menschen gewesen war, vor langer Zeit.
    »Es ist ein Übergang!«, rief der stämmige Mann. »Kommt!« Zusammen mit einigen anderen drängte er dem Spiegel entgegen.
    Zacharias hob die Hand. »Denkt daran: Niemand von euch darf seinen Namen nennen!«, rief er, damit sich alles richtig anfühlte. »Bezieht Aufstellung. Habt Geduld. Ihr bekommt alle Gelegenheit, durch den Übergang zu gehen. Zuflucht wartet auf euch; niemand bleibt zurück.«
    »Zuflucht«, ertönte es in der Menge. »Ein sicherer Ort.«
    Zacharias und Florence wichen beiseite und beobachteten, wie die vielen Traveller und Legaten in den Spiegel traten, der sie nach Zuflucht brachte. Sie erschienen auf einer Lichtung im Wald, nicht weit vom Fluss entfernt. Auch dort gab es Ruinen, aber nicht so viele wie auf dem Tafelberg, und halb überwuchert.
    »Sie brauchen Unterkünfte und Kleidung«, sagte Florence nachdenklich. »Und Werkzeuge und Nahrungsmittel und was weiß ich noch alles.«
    »Wir bringen sie in Sicherheit. Um den Rest müssen sie sich selbst kümmern. Es sind Traveller und Legaten. Sie werden zusammenarbeiten und können ihre neue Heimat so gestalten, wie sie möchten. Es ist keine gesperrte Welt. Er und seine Weltenbauer sind nie dort gewesen.«
    »Ist sie deshalb sicher vor ihm?«, fragte Florence leise.
    »Und weil es nur diesen einen Zugang gibt.«
    »Aber er könnte ihn finden, nicht wahr? Wenn er lange genug sucht. Wenn er eine Spur entdeckt.«
    »Er wird keine Spur entdecken«, sagte Zacharias und beobachtete, wie weitere Männer und Frauen in den Spiegel traten und die Welt auf der anderen Seite erreichten. »Und er wird keine Gelegenheit erhalten, lange zu suchen.«
    Florence musste etwas in seiner Stimme gehört haben, denn plötzlich sah sie ihn forschend an. »Warum nicht? Was hast du vor, Zach?«
    Zum Glück fielen ihm sofort die richtigen Worte ein, und er glaubte auch, dass sein

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