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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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alles so geplant hat, von Anfang an, und davon können wir ausgehen … Er hatte die Veränderungen im Kopf, kam mit einem fertigen neuen Schema hierher, gewissermaßen mit einem großen Patch, das es zu überspielen galt, sobald die Backdoor geschaffen und geöffnet war. Aber ich bin ihm zuvorgekommen.«
    »Du, Zacharias?«, fragte der Alte und musterte ihn. Es fehlte jeder Spott in den Worten und auch im Gesicht, aber es lag viel Aufmerksamkeit in seinem Blick.
    »Ja, ich. Ich habe die Traveller und Legaten von Prisma nach Zuflucht gebracht und die Verbindung unter brochen, bevor Salomo das Patch installieren konnte. Dies hier …« Er deutete auf den in Zeitlosigkeit erstarrten Krieg von Lassonde. »… zeigt, dass du mit deiner Vermutung recht hast, nur auf eine andere Art und Weise. Salomo braucht tatsächlich die kreative Energie all seiner ›Freunde‹, nicht für eine vollständige Neugestaltung dieser Welt, sondern für die Übertragung des ›Patches‹. Ohne sie kann er seinen Plan nicht zu Ende führen.«
    »Vielleicht doch. Vielleicht benötigt er nur etwas mehr Zeit.«
    »Das ist nicht auszuschließen«, sagte Zacharias. »Ein Grund mehr, sofort zu handeln. Bring mich zu ihm.«
    Lily schüttelte den Kopf. »Bedauere, aber das geht nicht.«
    Zacharias sah den Alten verwundert an. »War das nicht Sinn der Sache? Bin ich nicht gestorben, damit Salomo mich für tot hält, damit wir beide zusammen ihn überwältigen können?«
    »Tut mir leid, aber um dich zu ihm zu bringen, müsste ich meine Isolation aufgeben. Dann wäre die Gefahr groß, dass der Reset-Befehl auch mich erreicht und lahmlegt. Du musst allein zu ihm.«
    Allein, dachte Zacharias und blickte zur violetten Spirale des Wahrheitszentrums. Wie soll ich allein gegen jemanden wie den Seelenfänger antreten, der außerdem immer noch einige Helfer bei sich hat?
    Er trat näher zu dem Paar der Sterbenden, vorbei an einigen Blutspritzern, die weiter geflogen waren als die anderen, und blickte in Augen, die nichts mehr sehen konnten, weil ihnen die Dimension der Zeit fehlte.
    »Du hast sie aus der Starre holen können«, sagte Zacharias. »Du hast sie aus der Stase nach dem Reset geholt, was bedeutet: Du bist nicht völlig isoliert und kannst noch immer Einfluss auf das hiesige Geschehen nehmen.«
    »Hier«, antwortete Lily. »Weit von den Wahrheitszentren entfernt, an der Peripherie. Und in einem kleinen Bereich.«
    Zacharias beobachtete die Frau mit dem großen Loch in der Brust – ihr Gesicht hatte gerade begonnen Schmerz zu zeigen. Der Kopf des grauen Soldaten ohne erkennbares Geschlecht war nach hinten geneigt, vom Messer der Protektor-Kämpferin halb abgetrennt.
    »Was trennt das Leben vom Tod?«, fragte Zacharias leise.
    »Ein Messer?«, erwiderte Lily. »Eine Projektilwaffe wie die dort?«
    Was trennt einen gesunden Körper von einem kranken, dahinsiechenden, dachte Zacharias. In seinem Fall ein Gedanke, oder vielleicht auch zwei. Und ein bisschen Tetranol, das er eigentlich gar nicht brauchte. Ein Gedanke oder zwei, die ihn eine Tür im Kopf öffnen und durchschreiten ließen. Vielleicht sind es die wichtigsten Türen, überlegte er. Jene, die wir im Kopf haben. Wir müssen lernen, sie zu öffnen, die richtige zur richtigen Zeit.
    Dort ein Rollstuhl mit einem ALS-Kranken, hier ein gesunder Mann, dessen Wunden schnell heilten, weil seine Gedanken es so wollten. Dort der Tod, gefangen in einem Moment, auf halbem Weg zum Sieg über das Leben. Und hier …
    Hier konnte ein Gedanke den Unterschied machen. Der richtige Gedanke. Die richtige Tür im Kopf.
    Zacharias schloss die Augen und sah das Muster, ohne es zu suchen, die Grundstruktur von Lassonde, einer Welt, die die einzige wahre Wirklichkeit sein sollte und doch Teil eines ganzen Netzes aus Welten war: wie eine komplexe fraktale Grafik, in die er nach Belieben hineinzoomen konn te, um immer neue Einzelheiten zu erkennen, Details inner halb von Details, wie Pläne innerhalb von Plänen. Er wusste genau, wo er was verändern musste, um …
    Zacharias öffnete die Augen wieder, und die Frau und der graue Soldat standen wieder unverletzt da, als hätte Lily sie nicht für einige fatale Sekunden von der Erstarrung befreit.
    Der Alte wölbte beide weißen Brauen. »Erstaunlich.«
    »Ich schaffe es«, sagte Zacharias und hielt die Zuversicht in einem festen Griff, wie bei der Konfrontation mit Kronenberg. Auf den Glauben kam es an. »Ich schaffe es auch allein.«
    Er sah zum violetten

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