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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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dann bildeten sich dünne Falten auf seiner Stirn. »Es bleibt leer«, antwortete er überrascht. »Ich habe nach Lingbeek gepingt, bekomme aber kein Echo.«
    Florence nickte langsam. Schock, dachte sie.
    »Kannst du den Wagen aufrichten? Kannst du auf diesen Space-Teil Einfluss nehmen?«
    Er versuchte es, das sah sie, und sie spürte es auch, selbst ohne das Interface-Äquivalent und den Datenstrom der Biotelemetrie. Aber der Wagen blieb auf der Seite liegen, und draußen heulte weiter der Schneesturm. Schneeflocken tanzten wirr im Licht des einen Scheinwerfers. »Was ist los mit mir?« Zacharias hob die Hände und drückte sie sich an die Schläfen. »Es funktioniert nicht mehr.«
    Zwar stützte sich Florence am Armaturenbrett und der Seite des Fahrersitzes ab, aber als sie den Gurt löste, sank sie trotzdem halb auf Zacharias. Im Wagen war es bereits merklich kühler geworden.
    »Was ist los mit mir?«, fragte er, und diesmal lag der Glanz der Verzweiflung in seinen Augen. »Was ist los mit mir?«
    Vielleicht war dies alles ihre Schuld, das Ergebnis ihrer Unerfahrenheit, dachte Florence, und es war kein sehr angenehmer Gedanke. »Hör mir zu«, sagte sie und nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. »Du stehst unter Schock, Zach, und dadurch bist du blockiert. Entspann dich. Wir haben Zeit. Meine Tetranol-Phase geht erst in einigen Stunden zu Ende, und der Ereigniswinkel ist negativ, was uns zusätzliche Zeit gibt. Wir warten, bis der Schneesturm nachlässt, und dann klettern wir dort oben aus dem Wagen, auf der Beifahrerseite, und machen uns zu Fuß auf den Weg.«
    »Es ist ein weiter Weg …«
    »Und wenn schon. Außerdem: Du kannst ihn für uns verkürzen, wenn es dir besser geht.« Sie langte an ihm vorbei und versuchte, den Schalter für die Rückenlehne des Fahrersitzes zu erreichen. Schließlich surrte es, und die Lehne neigte sich nach hinten, wodurch sie etwas mehr Platz bekamen.
    Zacharias drehte den Zündschlüssel. Der Anlasser wimmerte einige Male, aber der Motor sprang nicht an.
    »Es ist kalt«, sagte er. »Und wenn wir warten, wird es noch kälter.«
    Florence langte nach dem Schlüssel und schaltete die Zündung aus, um Batteriestrom zu sparen. Dunkelheit umfing sie beide, darin das Heulen des Schneesturms.
    »Dann wärmen wir uns gegenseitig.«
    Zacharias erwachte und wusste gleichzeitig, dass er noch immer schlief, dass er nur von einem Traum in einen anderen wechselte. Von Dunkelheit umgeben, saß er in einem Rollstuhl, dessen Sensoren reagierten und den Monitor einschalteten. Ein Cursor blinkte dort und wartete, dass seine Augen Buchstaben und Worte aneinanderreihten.
    Er blinzelte, und sein Blick huschte von einer Seite zur anderen, ohne dass die Software der Interface-Systeme des Rollstuhls etwas mit den Augenbewegungen anfangen konnte. Der Cursor blinkte weiter, mit elektronischer Geduld.
    Die Jalousien des Fensters direkt vor ihm waren geöffnet, und von draußen kam genug Licht herein, dass er das Bett erkennen konnte, in dem er normalerweise die Nacht verbrachte – er sah die Anschlüsse für Darmausgang und Blase, weiter oben die Antennenleiste für die Wireless-Sensoren, die er nachts trug und die seinen Zustand überwachten. Es war das Bett eines Gelähmten, eines hilflosen Mannes, von seinem Körper im Stich gelassen, eines Mannes, der nur seine Gedanken auf die Reise schicken konnte und nicht einmal Darm und Blase unter Kontrolle hatte.
    Bin ich wirklich zurück, dachte Zacharias. War dies die Foundation? Er versuchte, die übrigen Systeme des Rollstuhls zu aktivieren, darunter die Biotelemetrie, die ihn mit Lily verband, aber er erinnerte sich nicht daran, welche Befehle er dem Interface übermitteln musste. Konnte er sie vergessen haben?
    Etwas bewegte sich hinter ihm, und ein Schatten glitt am Rollstuhl vorbei, wurde zu einer Silhouette vor dem Fenster.
    »Ist die Wahl so schwer?«, fragte ein kleiner Mann mit auffallend großem Kopf. »Zwischen diesem Leben, im Rollstuhl oder im Bett, als Gelähmter, der auf Hilfe angewiesen ist, und dem anderen, in einem gesunden, kräftigen Körper, der viele Jahrzehnte Leben vor sich hat, in Freiheit, mit Florence und einer eigenen Familie?«
    Verschwinde aus meinem Traum, dachte Zacharias. Lass mich wenigstens in meinen Träumen in Ruhe. Es war erstaunlich, dass er diesen Gedanken dachte, fand er, als ihm die Augen wieder zufielen und er zurückkehrte ins Dunkel des Schlafs, denn der bedeutete eine andere Art von Freiheit, die ihm der kleine

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