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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Mann – Salomo – nicht gegeben, sondern genommen hatte.
    Der erste Gedanke bohrte und kratzte, schuf Platz für weitere Gedanken, die ebenfalls bohrten und kratzten, wodurch immer mehr Platz entstand. Was ist los mit mir, dachte Zacharias, während er schlief. Warum beobachte ich nur? Warum lasse ich mich wie ein willenloses Schaf hin und her führen? Warum bin ich so passiv geworden? Salomo hat mich nicht festgehalten. Ich hätte durch eine der Türen gehen und Florence suchen können.
    Aber vielleicht … Vielleicht hatte Salomo ihn doch festgehalten, nicht mit Stricken und Ketten, sondern mit Worten und Gefühlen. Mit Bildern, die ihm spielende Kinder zeigten, Sohn und Tochter einer anderen Florence und eines anderen Zacharias.
    Es könnte dein Leben sein.
    Und auf so etwas fiel er herein? Auf freundliche Worte und schöne Bilder? Florence wartete nicht in der portugiesischen Villa auf ihn. Sie war am Ende ihrer Tetranol-Phase zur Foundation zurückgekehrt und setzte dort zweifellos alles in Bewegung, um ihn zu retten. Aber er unternahm nichts, um ihr die Rettung zu erleichtern. Er ließ sich umgarnen und manipulieren, hörte sich leere Versprechen an und ließ sich blenden.
    Aber waren die Versprechen wirklich leer?
    Hör auf damit, rief sich Zacharias selbst zur Ordnung. Bist du ein guter Traveller, der Beste der Foundation? Hast du genug Erfahrungen gesammelt, um Sein und Schein voneinander zu unterscheiden?
    Oh, nein, das waren die falschen Worte. Zwischen Richtig und Falsch unterscheiden, darauf kam es an, auch zwischen Gut und Böse. Salomo bot Freundschaft und Freiheit an, mit sanfter, freundlicher Stimme. Aber irgendwo in dieser Stimme, weit hinten, gab es noch etwas anderes …
    Wie hatte er es angestellt, fragte sich der schlafende Zacharias. Nein, falsch. Wie stellte er es an? Indem er Türen und Fenster in meinem Geist öffnet, die nur angelehnt sind. Indem er mir zeigt, was ich sehen möchte, und indem er mir sagt, was mir gefällt. Es sind meine Wünsche, die ihm den Weg zu meiner Seele zeigen.
    Das, fand Zacharias, war eine wichtige Erkenntnis. Seine Wünsche pflasterten den Weg für den Seelenfänger.
    Er dachte das Wort, den Namen, und er fühlte sich richtig an, richtiger als »Salomo«. Seelenfänger. Ja, das ist er. Und er hat es auf meine Seele abgesehen.
    Warum nahm er sie nicht einfach? Weil ihn etwas daran hinderte. Weil ich zu stark bin, glaubte Zacharias nicht ohne die Art von Stolz, vor der Florence ihn oft gewarnt hatte. Jetzt hielt er sich daran fest, wie an einem Felsen in der Brandung. Der Seelenfänger brauchte seine Zustimmung, seine Einladung. Und wenn kein Wunder geschieht, werde ich sie ihm geben, dachte Zacharias. Morgen, wenn ich erwache. Der Schlaf macht meine Gedanken frei, aber wenn ich wach bin, geht die Stimme des Zweifels schlafen.
    Verdammt, Zacharias, reiß dich zusammen! Alles schön, die Sonne scheint, überall lächeln die Menschen und freuen sich, dich zu sehen … Und auf so etwas fällst du herein? Das kann doch nicht wahr sein! Was ist mit deinem Verstand? Hast du ihn irgendwo abgegeben?
    Es ist nicht alles schön, dachte er und erinnerte sich an den schmächtigen Mann im Lehnsessel, an die Albtraumbilder der beiden Kinder, zwischen zwei Feuern gefangen, an die Ungeheuer, die sich ihnen näherten …
    Dummes Zeug, rief ein anderer Gedanke. Wer träumt von brennenden Städten und Zombies? Es sind Klischees. Wahrer Schrecken sieht anders aus.
    Aber vielleicht hatte sich der wahre Schrecken mit alten, klischeehaften Bildern getarnt, weil er sonst keinen Weg nach Prisma gefunden hätte.
    Und die gläsernen Häuser, die Gebäude aus Kristall, die im Sonnenschein glänzten und funkelten … So schön ihre Farbenpracht auch sein mochte – man konnte durch die Wände sehen und beobachten, was im Innern geschah; nichts blieb verborgen.
    Vielleicht hatte beides eine tieferen Sinn, die Bilder von den lebenden Toten wie auch die gläsernen, kristallenen Gebäude. Vielleicht verbarg sich darin eine Botschaft, die Zacharias nur verstehen konnte, wenn er schlief.
    Aber etwas störte den Schlaf.
    Geräusche kamen aus der anderen, wachen Welt, die ihm manchmal wie ein Traum erschienen war, und sie drohten ihn aus dem Schlaf zu reißen. Doch Zacharias wollte nicht erwachen, denn hier, in dieser dunklen Welt, warteten Antworten auf ihn oder die richtigen Fragen.
    Zum Beispiel … Wer waren die Bewohner der vielen Perlenschnur-Welten? Es konnten nicht alles Traveller sein, so

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