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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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vergessen«, sagte Matthias. »Ich habe nur nicht mehr daran gedacht. Ich habe in einem Online-Artikel von dem Zimtgeruch gelesen, vor zwei Jahren, fünf Monaten und drei Tagen. Lily?«
    »Du meinst den Artikel Tetranol und neuronale Wechselwirkungen: Wie groß ist die Suchtgefahr? von Thaddeus Bohler-Quizon in Pacific Science Nr. 598.«
    Matthias nickte. »Genau.« Sein Blick ging kurz ins Leere. »Auf Seite dreiunddreißig hieß es im zweiten Absatz, dass ein deutlicher Zimtgeruch im Atem zu den Symptomen chronischer Sucht gehört.«
    Rasmussen trat auf Thorpe zu und schnupperte kurz. »Zimt? Was hat das zu bedeuten?«
    Thorpe öffnete den Mund, doch Lily kam ihm zuvor.
    »Aus einer Syntaxanalyse geht hervor, dass Thorpe Ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt hat, Jonas. Er verfolgt geheime Ziele.«
    Rasmussen drehte den Kopf und sah zum Avatar auf dem Hauptschirm. »Woher willst du wissen, was Thorpe mir gesagt hat, Lily?«
    »Ihr Sysadmin hat die Signalschranken deaktiviert, Jonas.« Thorpe versuchte, ruhig zu sprechen, obwohl die Zeit drängte. »Ich fürchte, der Computer ist inzwischen Teil des Distributed Conscience. Es hätte vermutlich gar keinen Sinn mehr zu versuchen, die Schranken neu zu installieren.«
    Rasmussen schien die Worte nicht zu hören. »Haben Sie wirklich Tetranol aus unseren Beständen gestohlen? Und sind Sie süchtig?«
    Thorpe holte tief Luft. Er lächelte nicht, denn Lächeln nützte hier nichts mehr. »Mir bleibt keine andere Wahl, als die Abschaltung dieses Computers anzuordnen.«
    Matthias schüttelte so heftig den Kopf, dass er fast seine Brille verlor.
    »Sind Sie übergeschnappt?«, fragte Rasmussen fassungslos. »Ist Ihnen nicht klar, was das für Sea City bedeuten würde?«
    »Bitte erinnern Sie sich an unser Gespräch, Jonas«, sagte Thorpe. Mit etwas mehr Schärfe fügte er hinzu: »Und bitte erinnern Sie sich auch daran, dass ich über alle notwendigen Befugnisse verfüge. Sie können sich gern mit meinem Vorgesetzten in Verbindung setzen, dem Koordinator des Projekts Independence, Moses Vandenbrecht. Oder wenden Sie sich direkt an den Verwaltungsrat des Philanthropischen Instituts. Er wird Ihnen meine Weisungsbefugnis bestätigen.«
    Rasmussen sah ihm wortlos in die Augen.
    »Jonas, du kannst nicht zulassen …«, begann Matthias.
    »Weiß Vandenbrecht auch von Ihrer Sucht?«, fragte der Direktor der Foundation. »Und dass Sie uns Tetranol gestohlen haben?«
    »Ja«, sagte Thorpe. Das stimmte sogar, ebenso wie dies: »Und ich brauche eine neue Dosis, bevor ich Ihre Traveller in …« Er sah noch einmal auf die Armbanduhr. »… zehn Minuten auf ihrer Reise begleite.«
    »Sie wollen was ?«, fragte Rasmussen verblüfft.
    »Ich bin ausgebildet.« Auch das entsprach der Wahrheit. »Und ich weiß, worauf ich mich einlasse. Dies ist Teil meines Auftrages, Jonas. Ich habe Ihnen die Bedeutung des Patienten namens Haruko Isamu Abe erklärt. Deshalb werde ich die Traveller begleiten, wenn sie versuchen, Teneker, Zacharias und Florence zurückzuholen, und dazu brauche ich eine weitere Dosis Tetranol.« Das war nur ein Teil der Wahrheit. »Aber vorher … Ich muss darauf bestehen, dass dieser Computer abgeschaltet wird.«
    »Ausgeschlossen!«, rief Matthias.
    »Jonas«, sagte Thorpe eindringlich, »die Maschinenintelligenz könnte Einfluss auf die Interface-Systeme nehmen. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum Zacharias und Florence nicht zurückgekehrt sind.«
    »Lily würde nie etwas tun, das Zach und Flo schadet!« Matthias richtete einen fast flehentlichen Blick auf Rasmussen. »Er ist süchtig, Jonas. Er weiß nicht, wovon er redet …«
    Thorpe holte sein Portemonnaie hervor, entnahm ihm eine Karte und reichte sie Rasmussen. »Das ist Vanden brechts private Nummer. Rufen Sie ihn an, wenn Sie an mei nen Worten zweifeln.«
    Rasmussen sah einige lange Sekunden auf die Karte hinab und hob dann den Kopf. »Matthias, ich fürchte …«
    Thorpe trat zum Hauptterminal und griff nach der Tastatur. Er wusste, wie man einen Computer herunterfuhr, auch eine so komplexe Maschine wie diese Cray. Aber um sie abzuschalten, brauchte er … »Nennen Sie mir das Passwort, Matthias.«
    »Nein!« Der Sysadmin stand zwei Meter entfernt, das Gesicht noch immer rot und die Fäuste geballt.
    »Ich ziehe hier alle Stecker, wenn es nötig ist«, sagte Thorpe. »Ich lege die Stromversorgung des ganzen Gebäudes still und schalte auch die Notstromaggregate ab, wenn Sie mich dazu zwingen.« Weniger scharf

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