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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Schärfe zu nehmen, aber nicht ihre Bedeutung. »Aber ich möchte Sie bitten , Matthias. Vertrauen Sie mir und dem PI.«
    »Er will, dass du mich verstümmelst, Matthias.« Die Stimme kam aus einem Lautsprecher, ließ sich weder einem Mann noch einer Frau zuordnen. Sie war ebenso androgyn wie der Avatar in einem Fenster des Hauptschirms.
    »Sie wollen, dass ich Lily verstümmele«, wiederholte Matthias und rückte den Stuhl noch etwas weiter fort, wie bereit zur Flucht.
    Thorpe warf einen Blick auf die Uhr. In einer Viertelstunde begaben sich die anderen Traveller auf die Reise, um Teneker, Zacharias und Florence zurückzuholen, und dann begann der wichtigste Teil seiner Mission. Und vorher brauchte er noch eine weitere Dosis Tetranol, was einen Abstecher zur medizinischen Abteilung bedeutete. Er durfte hier keine Zeit verlieren.
    Er tippte auf seine Armbanduhr. »Gleich beginnen die anderen Traveller mit ihrer Reise, Matthias. Sie wissen doch davon, nicht wahr?«
    Matthias sah ihn nur an, das Gesicht starr wie eine Maske. Es fiel Thorpe nicht leicht, auch weiterhin zu lächeln.
    »Ich muss dabei zugegen sein. Und es ist wichtig, dass die Interface-Systeme richtig funktionieren, Matthias. Deshalb müssen die Signalschranken installiert werden. Jetzt sofort.«
    »Er will mich verstümmeln und verkrüppeln«, sagte die geschlechtslose Stimme in einem neutralen, wie unbekümmerten Ton. »Er will, dass ich nicht mehr richtig denken kann.«
    »Nein«, sagte Matthias. Rote Flecken bildeten sich in seinem blassen Gesicht, und die Augen hinter den Brillengläsern wurden größer.
    Thorpe wurde ernst. »Ich bin als Beauftragter des Philanthropischen Instituts hier«, betonte er noch einmal. »Ich gebe Ihnen hiermit eine direkte Anweisung. Installieren Sie die Signalschranken, sofort. Andernfalls sehe ich mich gezwungen, diesen Computer komplett abzuschalten.«
    »Was?«, brachte Matthias fassungslos hervor. »Sie wollen was ?«
    »Sie haben mich gehört.«
    Der Sysadmin stand auf. »Gib Jonas Bescheid, Lily.«
    »Erledigt, Matthias. Und … danke.«
    Ein weiterer Schritt brachte Thorpe vor das Hauptterminal mit den drei Bildschirmen, zwei kleine 26-Zöller unter einem 47er. Er streckte die Hand nach der Tastatur aus …
    Und bekam einen Stoß, der ihn zu Boden schickte. Thorpe prallte mit dem Kopf gegen einen Schrank, auf dem ein großer Printer stand, und für einige Sekunden verlor er die Orientierung. Als sich das Bild vor seinen Augen klärte, stand Matthias vor ihm, mit glühenden Wangen, funkelnden Augen und geballten Fäusten.
    »Wagen Sie es bloß nicht, Lily anzurühren!«
    Jemand drehte den Knauf und klopfte, als sich die Tür nicht öffnete. »Matthias?«
    Der Sysadmin öffnete, und Rasmussen kam herein. Er wölbte die Brauen, als er Thorpe auf dem Boden liegen sah. »Was ist hier los?«
    Thorpe kam wieder auf die Beine und rieb sich die Beule an seinem Kopf. »Ihr Sysadmin weigert sich, eine offizielle Anweisung des Philanthropischen Instituts auszuführen.«
    Rasmussen schaltete schnell. »Die Firewall?«
    »Du hast davon gewusst, Jonas?«, fragte Matthias entgeistert und richtete einen warnenden Zeigefinger auf Thorpe, als der sich erneut dem Hauptterminal näherte. »Rühren Sie nichts an!«
    »Matthias …«, begann Rasmussen.
    »Es ist keine Firewall! Das Programm, das dieser Mann mitgebracht hat, installiert Signalschranken, die Lily …«
    »Sie verstümmeln mich«, tönte die Stimme des Avatars durch den Raum.
    Rasmussen suchte nach Worten. »Die Sache ist ziemlich kompliziert, Matthias. Es läuft darauf hinaus, dass wir Thorpe helfen müssen.«
    Der Sysadmin schüttelte wie ein verstockter Teenager den Kopf.
    »Er hat Tetranol gestohlen und die Bestandslisten in der medizinischen Abteilung gefälscht«, sagte der Avatar. Sein Bildschirmfenster auf dem Hauptschirm wurde größer, als wollte er mehr Präsenz zeigen und den Worten Nachdruck verleihen.
    Matthias beugte sich zu Thorpe vor und schnupperte. »Der Zimtgeruch, Jonas.« Er klang wie jemand, der bereit war, nach jedem Strohhalm zu greifen. »Ich habe ihn bemerkt, als dieser Mann zum ersten Mal hierherkam. Das weckte eine vage Erinnerung, aber dann war ich mit der angeblichen Firewall beschäftigt und habe es vergessen.«
    »Du hast es vergessen ?« , fragte Rasmussen.
    Thorpe erinnerte sich an einen Eintrag in der Personalakte, der darauf hinwies, dass der autistische Sysadmin der Foundation über ein fast eidetisches Gedächtnis verfügte.
    »Nicht

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