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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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Schwangerschaft in einer Fehlgeburt geendet, dachte Luzia bitter und warf ihr
einen hochmütigen Blick zu. Hermine Schmölzer, die Frau des Nagelschmieds, die neben ihr stand, wäre wahrscheinlich tot, hätte sie ihr kein Mutterkorn verabreicht. Nicht zu reden von dem vielen Beifuß, der den Frauen die Schmerzen erleichtert hatte, oder den warmen Leibwickeln. Dem Bilsenkraut, mit dessen Hilfe sie vielen Kindern die Mutter gerettet hatte. Den vielen getrockneten Tränen, den durchwachten Nächten, den gehaltenen Händen und den unzähligen Gebeten.
    Halb Ravensburg hatte sich eingefunden, um zu sehen, ob sie tatsächlich eine Hexe war.
    Sie suchte Johannes in der Menge. Er stand am Anfang des Stegs, nur noch wenige Meter von ihr entfernt. Sein gefasster Blick suchte sie zu beruhigen, doch seine Fäuste waren so stark geballt, dass sämtliches Blut aus seinen Händen gewichen war. Neben ihm stand ihr Onkel, gebeugt, die Augen zu Boden gerichtet, ein alter Mann am Ende seiner Kraft. Als sie auf seiner Höhe war, streckte Johannes die Hand nach ihr aus. Luzia wollte nach ihr greifen, doch Schwarzenberger, dem die Szene nicht entgangen war, riss brutal an dem Strick und ließ gleichzeitig die Rute schmerzhaft auf ihren Rücken sausen. Hilflos drehte sich Luzia nach Johannes um. Dann hatten sie schon den Steg erreicht. Der Inquisitor und sein Notar waren nur noch wenige Meter entfernt.
    Luzia hörte, wie hinter ihr Johannes wütend aufschrie. Er wollte sich auf Schwarzenberger stürzen, doch zwei mit Hellebarden bewaffnete Büttel bezogen mit grimmiger Miene Stellung am Fuße des Stegs.
    Die Büttel richteten ihre tödlichen Waffen auf Johannes und hielten ihn in Schach. Während er wilde Flüche ausstieß und die Fäuste schüttelte, redete Basilius, in den plötzlich
Leben gekommen war, unentwegt auf ihn ein und versuchte ihn wegzuziehen. Luzia sah immer noch über die Schulter nach hinten, obwohl Schwarzenberger sie vorwärtszerrte, und suchte Johannes’ Blick mit ihren Augen. Sieh mich an, dachte sie, ein letztes Mal noch, sieh mich an!
    »Zieh das Hemd aus!«, befahl Schwarzenberger in diesem Augenblick.
    Die Leute johlten. Einige applaudierten.
    Luzia glaubte vor Scham vergehen zu müssen, als Schwarzenberger ihr das Hemd vom Leib riss. Nackt war sie den gierigen Blicken ausgeliefert, die ihre Brüste und die Scham begafften. Ein paar schlüpfrige Rufe und schrille Pfiffe flogen über die gekräuselte Wasseroberfläche.
    Ihre Beine wurden mit Stricken umwunden, die ihr ins Fleisch schnitten, schließlich war ihr ganzer Leib in ein enges Geflecht aus rauen Seilen gezwängt. Sie hatte jetzt schon das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie stand am Rand des Stegs. Sie wusste, dass Johannes irgendwo hinter ihr war. Sie ergab sich in ihr Schicksal.
    Die Messdiener schwangen ihre Weihrauchgefäße, und der heilige Rauch wehte über den Weiher.
    Luzia sah in die unergründliche Tiefe des grauen Gewässers, das sich wie ein Rachen vor ihr auftat. Undeutlich nahm sie wahr, dass Schwarzenberger ein langes Seil an den Verschnürungen, die sie an jeglicher Bewegung hinderten, befestigte. Angesichts des gähnenden Abgrunds, der mit eisigen Fingern nach ihr griff, steigerte sich Luzias Angst in wilde Panik. Ihr Herz hämmerte laut gegen die Rippen und das Band um ihre Brust wurde mit jedem Atemzug enger. Heftig und stoßartig atmete sie ein und aus.

    Schwarzenberger schob sie noch ein Stück weiter an den Rand des Stegs. Dort wartete sie, bis er ihr auf Kramers Zeichen hin einen Stoß versetzen würde, der sie in die Tiefe des Weihers beförderte. Dort unten wartete die Freiheit auf sie oder, wenn Schwarzenberger sie nicht rechtzeitig herauszog, der Tod.
    »Wohl dem, der nicht wandelt nach dem Rat der Gottlosen …«, intonierte Kramer einen Psalm.
    Als das Wasser über ihrem Kopf zusammenschlug, empfand Luzia die Kälte wie einen Schock. Die Wucht des Sturzes beförderte sie bis zum Grund des Weihers und für einen Augenblick spürte sie den morastigen Boden unter ihren nackten Füßen. Während sie die Augen aufriss, wurde das grünliche Wasser Wirklichkeit.
    Bereits nach einigen Herzschlägen nahm die Enge, die ihren Leib gefangen hielt, zu, und bald empfand Luzia sie als unerträglich. Sie versuchte sich gegen die Stricke zu wehren. In ihrem Brustkorb brannte ein loderndes Feuer und ihr langes Haar, das sich wie ein roter Schleier ausbreitete, nahm ihr zeitweise die Sicht. Panik ergriff sie, und sie spürte, dass sie

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