Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
hatte.
    Wie an dem Morgen, als sie versucht hatte, Nimrod durch ›innere Berührung‹ zu helfen. Seine Kopfverletzung war gut geheilt, doch durch das lange Liegen hatte sich in seiner Lunge Wasser gesammelt. Die Bemühungen der Ärzte und Pflegerinnen hatten nichts dagegen vermocht; der alte Astrologe hatte ständig gehüstelt und bei jedem Atemzug beunruhigend geröchelt. Da Arzneien und Dunstzelte nichts zu helfen schienen, hatte Selene vorgeschlagen, es mit der ›inneren Berührung‹ zu versuchen; hatte allerdings darauf hingewiesen, daß dieses Verfahren nicht immer wirksam war.
    Sie hatte sich an das Bett des Astrologen gestellt, die Arme ausgestreckt und das Bild der Flamme heraufbeschworen. Sobald sie die Kraft der Flamme in sich gespürt hatte, hatte sie ihre Arme über seinem ganzen Körper kreisen lassen. Die ›innere Berührung‹ hatte beruhigende Wirkung auf Nimrod gehabt. Er hatte weniger gehustet, und das Atmen war ihm leichter geworden; nach einigen Tagen waren seine Lungen wieder trocken gewesen, und er befand sich auf dem Weg zur Genesung.
    Selene entdeckte bald, daß Rani ein starkes Interesse an der Heilkunde hatte und auf diesem Gebiet sehr bewandert war. Eines Nachmittags hatte Selene beobachtet, wie man ein Schaf in den Pavillon geführt hatte. Man brachte es an das Bett eines Patienten, der dem Tier in die Nasenlöcher gehaucht hatte. Danach hatte man es wieder weggeführt. Am Abend hatte Selene Rani gefragt, was das zu bedeuten hatte.
    »Das ist eine Möglichkeit, eine schwierige Diagnose zu stellen«, hatte Rani ihr erklärt. »Das Schaf wurde hinterher in den Tempel geführt und geschlachtet. Man untersuchte seine Leber, um festzustellen, an was für einem Leiden der Patient erkrankt war.«
    »Du kennst dich gut aus auf dem Gebiet der Medizin«, hatte Selene gesagt, und Rani hatte erwidert: »Mein einziger Freund ist ein Arzt.«
    Als Selene jetzt wieder zu ihr ging, sagte Rani: »Ihr wollt wirklich bei diesem schlechten Wetter aufbrechen?«
    »Das müssen wir, wenn wir nicht mitten in den Winter geraten wollen.« Selene ergriff ihre Teetasse, hob sie an die Lippen und stellte sie dann wieder weg. »Rani«, sagte sie, »ich habe ein Problem.«
    »Worum geht es?«
    »Ich bekomme ein Kind«, antwortete Selene leise.
    Rani sah sie überrascht an, dann umfaßte sie mit Wärme ihre Hand. »Die Götter haben dich gesegnet, mein Kind. Das ist doch kein Anlaß zur Traurigkeit!«
    »Doch, Rani. Denn nun kann ich Wulf nicht begleiten. Ich kann jetzt nicht reisen.«
    Ranis Lächeln erlosch. »Ich verstehe. Natürlich. Was sagt denn Wulf dazu? Ist er bereit, die Reise zu verschieben?«
    »Ich habe es Wulf noch nicht gesagt.«
    »Warum nicht?«
    »Weil er bleiben wird, wenn ich ihm sage, daß ich schwanger bin. Er wird dann nicht mit Gupta reisen.«
    »Ihr könnt doch beide reisen, wenn das Kind geboren ist.«
    Selene schüttelte den Kopf. »Es wird eine sehr anstrengende Reise werden. Ein kleines Kind würde uns behindern. Wir müßten warten, bis es alt genug ist, die Strapazen einer solchen Reise auszuhalten. Und wohin würden wir dann gehen? Was für eine Familie wären wir denn? Wulf hat seine Familie in Germanien, eine Frau und einen Sohn, zu denen er zurückkehren muß. Und ich muß zurück nach Antiochien, zu Andreas. Wie würden wir denn zusammenleben, wir beide mit dem Kind? Das hat nicht geschehen sollen, Rani. Wulf und ich waren nicht dazu bestimmt, für immer zusammenzubleiben.«
    In Selenes Augen glänzten Tränen. Mitleidig sah Rani sie an. »Dann darfst du es ihm nicht sagen«, meinte sie behutsam. »Um seinet- und um deinetwillen. Du mußt einen Vorwand erfinden, warum du hierbleiben mußt. Du mußt darauf bestehen, daß er allein reist.«
    »Wie kann ich ihm das verheimlichen«, sagte Selene mit brüchiger Stimme. »Er hat ein Recht darauf, es zu wissen.«
    Ranis Gesicht verdunkelte sich. Geheimnisse, dachte sie. Ich habe mein schreckliches Geheimnis sechsunddreißig Jahre bewahrt. Nur ein einziger Mensch weiß darum. Nimrod. Nimrod kennt es …
    »Es wäre selbstsüchtig von mir, es Wulf zu sagen«, murmelte Selene. »Denn ich weiß, daß er dann bei mir bleiben würde. Wenn er von dem Kind hört, wird er Persien nicht verlassen. Aber er muß
jetzt
gehen, zurück zu seinem Volk, das ihn braucht. Und ich muß zurück nach Syrien und Andreas finden. Ich liebe Wulf, Rani, aber Andreas gehöre ich mit Leib und Seele. Sie sind zwei grundverschiedene Männer, und ich liebe sie auf ganz

Weitere Kostenlose Bücher