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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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unterschiedliche Weise. Wulf war mir Freund und Gefährte im Exil, er hat mir das Leben gerettet, und ich habe ihm das Leben gerettet. Das Band, das uns verbindet, ist von besonderer Art. Aber unsere Schicksale sind nicht miteinander verknüpft. Ach, Rani, was soll ich nur tun?«
    Rani antwortete nicht. Sie starrte Selene so verblüfft an, als hätte sie soeben eine bestürzende Erkenntnis gehabt. Als sie dann endlich doch sprach, war ihre Stimme nur ein Flüstern. »Bei allen Göttern, so bist doch du es …«
    Selene sah sie fragend an.
    »Du bist das Ende von Dr.Chandra«, sprudelte Rani hastig hervor. »Selene, was wirst du nach der Geburt des Kindes tun? Wohin wirst du gehen?«
    »Nach Antiochien. Aber erst wenn das Kind kräftig genug ist. Ich werde gleich nach Süden ziehen, denn Lashas Soldaten halten nicht nach einer alleinreisenden Frau mit einem kleinen Kind Ausschau.«
    »Nimm mich mit!«
    »Dich mitnehmen?«
    »Ja, nimm mich mit nach Westen, Selene. Hilf mir, aus diesem Gefängnis zu fliehen! Ich möchte die Welt sehen, ich möchte
deine
Welt sehen, Selene. Hör mir zu!« Rani sprach hastig, das Gesicht vor Erregung gerötet. »Nimrod sagte mir, daß ein vieräugiger Mensch in diesen Palast kommen und Dr.Chandras Leben hier ein Ende bereiten würde. Du bist dieser Mensch, Selene. Du und das Kind, das du unter dem Herzen trägst, ihr beide habt vier Augen.«
    Selene war verwirrt. »Aber was habe ich mit Dr.Chandra zu tun?«
    »Du hast vor, von hier wegzugehen, nicht wahr? Wenn ich mit dir gehe, dann hört Dr.Chandra auf zu existieren und die Prophezeiung ist erfüllt.«
    »Ich verstehe überhaupt nichts.«
    Rani klatschte in die Hände. Miko, die alte Magd, trat ins Zimmer. Die Prinzessin sagte etwas in ihrer Sprache zu ihr, worauf Miko sie erstaunt ansah. Dann wandte sich Rani wieder an Selene. »Ich verrate dir jetzt ein Geheimnis, das niemand außer Nimrod kennt.«
    Miko, die hinausgegangen war, kam mit einem Bündel in den Armen wieder herein, legte es Rani hin und zog sich wieder zurück. Selene wartete voller Verwirrung. Da warf Rani plötzlich die Satindecke zurück und schwang die Beine vom Sofa.
    »Hier«, sagte sie, während sie die Bündel auseinanderriß, »ist Dr.Chandra.«
    Selene sah sprachlos zu. Auf säuberlich gefalteten Gewändern, die Selene aus dem Pavillon kannte – zitronengelbe Jacke und gleichfarbiger Turban – lag ein buschiger schwarzer Bart.
    »Schau«, sagte Rani und hielt sich den Bart vor das Gesicht. »Begreifst du jetzt?«
    Selene riß die Augen auf. »Du?« stieß sie hervor. »Du bist Dr.Chandra?«
    Rani stand auf, ließ den falschen Bart auf das Sofa fallen und trat zur Tür in den Garten. »Solange ich denken kann, wollte ich Heilerin werden«, sagte sie, in den Regen hinausblickend. »Wenn ich als Kind ein verwundetes oder krankes Tier entdeckte, nahm ich es auf und pflegte es. Es wollte mir nicht in den Kopf, daß eine Frau nicht würdig genug sein sollte, den Heilberuf zu ergreifen.
    Ich war ein eigensinniges Kind. Mein Vater und ich trugen erbitterte Kämpfe aus. Ich wollte auf eine der großen Schulen für Medizin in Madras oder Peshawar. Als er mir eröffnete, daß ich einen persischen Prinzen heiraten sollte, schloß ich mich in mein Zimmer ein und weigerte mich zu essen. Ich wollte verhungern. Ich war zwölf Jahre alt, und ich wußte genau, was ich mit meinem Leben anfangen wollte.«
    Rani drehte sich um und sah Selene lächelnd an. »Einen dicken Prinzen zu heiraten und viele Kinder zu bekommen, gehörte nicht zu meinen Plänen.«
    Selene hörte ihr fasziniert zu. Während Rani sie über ihren Betrug aufklärte – daß sie in den letzten dreißig Jahren ein Doppelleben geführt hatte –, wurde ihr vieles klar: Wieso Rani so viel von der Medizin verstand; wieso sie stets von Selenes Tätigkeiten im Pavillon unterrichtet gewesen war; warum Selene Dr.Chandra niemals bei ihr angetroffen hatte; warum Dr.Chandra so selten mit ihr gesprochen hatte.
    »Ich habe darauf geachtet, daß niemand mich in beiden Gestalten sah«, erklärte Rani. »Die, welche mit Dr.Chandra zusammenarbeiten, sind der Prinzessin nie begegnet. Abgesehen von Nimrod habt nur ihr, du und Wulf, mich als Prinzessin und als Dr.Chandra gesehen.«
    Nachdem Selene das alles gehört hatte, berichtete sie Rani von ihrer Verwunderung über ihre ›Lähmung‹ und erläuterte ihr die Fußsohlenprobe, die Andreas sie gelehrt hatte.
    »Wenn man bei einem gesunden Bein über die Sohle streicht,

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