Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
gelaufen. »Ist sie zurück?«
    »Nein«, antwortete Elisabeth angstvoll. »Rani ist auch gegangen, sie zu suchen. Aber das ist jetzt schon lange her.«
    Selene versuchte, die aufsteigende Panik zu bezähmen. Es war jetzt fast dunkel. Sie hatte furchtbare Angst um ihr Kind.
    »Wir müssen Hilfe holen«, sagte sie.
    »Ja. Der Rabbi –«
    »Schnell!«
     
    Rani wußte, daß es nur einen Ausweg gab: Sie mußte den Hund irgendwie von Ulrika ablenken. Sie blickte suchend zu Boden, entdeckte einen scharfkantigen, schweren Stein und hob ihn auf. Wenn ihr ein glücklicher Wurf gelang, wenn sie den Hund am Kopf treffen konnte, so daß er das Bewußtsein verlor …
    Aber was, wenn sie nicht traf und den Hund so erschreckte, daß er sich auf Ulrika stürzte?
    Ich muß ihn dazu bringen, daß er sich umdreht und in diese Richtung läuft. Sie umklammerte den Stein fester. Es war fast dunkel jetzt. Der Hund schlich näher an Ulrika heran.
    Ich bin eine alte Frau, dachte Rani. Welche Aussicht habe ich, dem Hund davonzulaufen? Er muß hierherkommen, und ich muß hier, an dieser Stelle, stehenbleiben und den Stein werfen.
    »Halt dich jetzt ganz still, Ulrika«, sagte sie tonlos. »Ich werfe einen Stein und verscheuche den Hund. Hast du verstanden?«
    Ulrika, die dem Raben hierhergefolgt war und in deren Adern das Kriegerblut ihres Vaters floß, antwortete ohne Furcht: »Ja, Rani.«
    Ich habe die Welt gesehen, dachte Rani, als sie den Stein hob. Ich bereue nichts …
    Sie warf den Stein.
    Die Schreie des Kindes waren im ganzen Viertel zu hören, so daß sich, als Selene kam, bereits eine große Menge um die tote Rani gesammelt hatte.
    Ulrika warf sich schluchzend in die Arme ihrer Mutter, während Selene wie erstarrt zu Boden blickte. Rani und der Hund lagen nebeneinander. Sie waren im selben Moment gestorben. Ranis Gewand war zerfetzt und voller Blut. Die Schnur an ihrem Hals war abgerissen, das Achatsiegel verschwunden. Ihr Gürtel lag offen auf dem Pflaster. Die Röhre mit dem Kreditbrief war fort.

Siebtes Buch
Alexandria
    46
    »Wenn ihr je vor einer sehr schlimmen Wunde stehen solltet und nicht die richtigen Arzneien zur Hand habt«, ließ sich die weiche Stimme aus der Mitte des Kreises von Frauen vernehmen, »dann greift ruhig auf die alte Weisheit zurück, die besagt, daß man erst etwas Brennendes und dann etwas Linderndes auflegen soll. Ihr könnt fast alles verwenden, was gerade da ist.«
    Mutter Mercia, die Vorsteherin des Tempels, hörte aufmerksam zu, während Schwester Peregrina im Krankensaal Morgenunterricht erteilte. Die um Schwester Peregrina versammelten Frauen, jung und ernsthaft, in langen weißen Gewändern, das Kreuz der Isis auf der Brust, waren Novizinnen, die zur Ausbildung in der Krankenpflege hier weilten. Sie liebten Schwester Peregrina, die vor drei Jahren aus Jerusalem nach Alexandria gekommen war.
    An diesem Morgen erhielten sie Unterricht in der Versorgung von Wunden. Schwester Peregrina demonstrierte an einer Patientin, die in der Nacht in den Tempel gebracht worden war, einer jungen Frau, die das Opfer einer Vergewaltigung geworden war. Vor Schwester Peregrinas Ankunft in Alexandria hätte die junge Frau kaum Hilfe erhalten; heute jedoch war das kleine Krankenhaus, das zum Isistempel in Alexandria gehörte, in ganz Ägypten bekannt.
    Mutter Mercia lächelte dankbar. Unglaublich, wie die Schwesternschaft dank Schwester Peregrina gewachsen war; wie reich die Spenden der dankbaren Patienten flossen. Es mußte der Göttin eine Freude sein zu sehen, mit welcher Hingabe diese jungen Frauen aufmerkten, während ihnen Schwester Peregrina zeigte, wie man einen Kreuzverband anlegte.
    Schwester Peregrinas schier unerschöpfliches Wissen erstaunte Mutter Mercia immer von neuem. Sie hatte einige recht seltsame, aber durchaus wirksame Heilverfahren eingeführt, hatte ihnen beispielsweise gezeigt, wie man offene Wundränder mit Hilfe von Käfern schließen, wie man Entzündungen durch Auflegen von Brotschimmel vorbeugen konnte. Sie hatte sie auch gelehrt, daß man den Trank der Hekate, dessen geheimes Rezept den Priesterinnen der Isis seit langem bekannt war, außer gegen Kopfschmerzen und Krämpfe auch zur Behandlung bei Fieber und Schwellungen einsetzen konnte. Selbst die gelehrten Ärzte aus der nahegelegenen Schule der Medizin kamen in diesen Krankensaal, um zuzuhören und zu beobachten.
    Nach Mutter Mercias fester Überzeugung war es kein Zufall gewesen, daß Schwester Peregrina vor drei Jahren in den

Weitere Kostenlose Bücher