Seelenfeuer
viele Kinder haben, Paulina.«
Ulrika saß im sonnigen Garten und plauderte mit Paulina, die Pfingstrosen und gelbe Iris pflückte. Jetzt, wo der Garten seinen Frühlingsflor angelegt hatte, waren sie fast jeden Tag hier draußen. Meistens saßen sie zusammen unter dem Granatapfelbaum, Freundinnen seit dem aufregenden Abend im Dezember. Paulina, die früher die Anwesenheit Ulrikas nur mühsam ertragen hatte, genoß jetzt ihre Gesellschaft, und Ulrika sah in ihr, wie früher in Rani, eine zweite Mutter.
»Nur ein Kind zu haben«, fuhr Ulrika fort, »finde ich grausam. Ich hätte immer Angst, daß mein Kind einsam ist. Deshalb möchte ich viele Kinder haben, damit sie Gesellschaft haben. Sonst« – ihr Gesicht wurde ernst – »will ich lieber überhaupt keines.«
Paulina kam mit ihrem Blumenstrauß zum Baum zurück und pflückte noch ein paar Granatäpfel für Selene, die aus der Schale einen Trank zuzubereiten pflegte. »Aber erst brauchst du einen Ehemann«, sagte sie lächelnd.
»Ja, natürlich. Aber ich heirate bestimmt nicht den Nächstbesten. Es muß schon ein ganz besonderer Mann sein.«
Wie gut ich das kenne, dachte Paulina wehmütig. Valerius war für mich der ganz besondere Mann, als wir einander kennenlernten. Ach, noch einmal so jung zu sein wie Ulrika, und das ganze aufregende Leben vor sich zu haben. Aber das alles liegt jetzt hinter mir. Ich könnte natürlich wieder heiraten, aber es wäre nicht recht, da ich meinem Mann keine Kinder schenken könnte.
Paulina blickte seufzend zum lichtblauen Himmel hinauf. Wenn ich Kinder bekommen könnte, dachte sie, würde ich einen Mann wie Andreas heiraten wollen. Am besten Andreas selber …
»Ich kann nicht einfach irgendeinen heiraten«, erklärte Ulrika ernsthaft. »Ich habe königliches Blut in mir. Mein Vater war ein Fürst.«
Paulina sah auf den goldbraunen Kopf hinunter. Sie machte sich manchmal Sorgen um Ulrika. Das Mädchen hatte eine wilde, trotzige Seite. Und häufig verfiel sie in lange Perioden des Schweigens und der Verschlossenheit. Paulina fand sie zu ernst für ihr Alter. Und wie sie sich diesem jungen Sklaven, Eiric, angeschlossen hatte. Wie sie bei jeder Gelegenheit sich in seiner Sprache übte! Wie sie ständig von ihrem toten Vater sprach. Sie wirkte verloren, als wüßte sie nicht, wohin sie gehörte.
»Und Mutters Seite muß ich natürlich auch bedenken«, fuhr Ulrika fort, »auch wenn ich es fürchterlich finde, daß Julius Cäsar mein Urgroßvater ist. Die anderen Leute scheinen es wichtig zu finden, vielleicht fände mein Mann es auch wichtig.«
Paulina ließ mit einem zerstreuten Lächeln die gelblichrote Frucht in ihren Korb fallen. Dann hielt sie inne und sah, die Arme noch zu den Ästen erhoben, das Mädchen an.
»Was hast du da eben gesagt, Ulrika? Über Julius Cäsar?«
»Er war mein Urgroßvater.« Ulrika nahm einen Granatapfel aus dem Korb und ging daran, die harte Schale abzuziehen.
»Warum sagst du das?«
»Weil es wahr ist. Sein Sohn war mein Großvater. Folglich ist er mein Urgroßvater, oder nicht?«
Paulina senkte die Arme. »Sein Sohn?«
»Prinz Cäsarion. Er war der Vater meiner Mutter.«
Paulina starrte sie ungläubig an. »Ulrika, hast du dir das ausgedacht?«
»Aber nein. Die Tempelvorsteherin in Alexandria hat es meiner Mutter gesagt. Sie hat uns alles über die Königin Kleopatra erzählt, die die Großmutter meiner Mutter war. Prinz Cäsarion wurde versteckt und an seiner Stelle wurde ein Sklave getötet. Aber später haben ihn die Soldaten doch getötet. In Palmyra. In der Nacht, als meine Mutter zur Welt kam.«
Langsam ließ sich Paulina neben Ulrika auf die Bank sinken. »Das kann ich schwer glauben. Deine Mutter hat davon nie etwas zu mir gesagt.«
»Sie hält es geheim. Aber sie trägt Julius Cäsars Ring an einer Kette um ihren Hals. Er hat Gallien unterworfen, weißt du, und ist in Germanien eingefallen. Es wäre mir viel lieber, er wäre nicht mein Urgroßvater, aber –«
»Ulrika.« Paulina nahm die Hand des Mädchens. »Weiß das alles sonst noch jemand?«
»Nur Mutter Mercia. Und ein Mann, der in den Tempel kam. Andreas.«
Paulina blickte in die großen, aufrichtigen Augen, die so blau waren wie der Aprilhimmel, und sah, daß das Kind die Wahrheit sprach.
»Ulrika«, sagte sie. »Hör mir gut zu. Deine Mutter hat recht. Es muß ein Geheimnis bleiben. Du darfst mit keinem Menschen darüber sprechen. Versprichst du mir das, Ulrika?«
Ulrika gab feierlich ihr Versprechen, und
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