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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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nicht –
    Dann bleibt der Kleine bei mir, und ich werde ihn wie meinen eigenen Sohn großziehen.
    Aber es war ja Paulina, die dieses Kind brauchte. Sie sah Ulrika manchmal mit so viel schmerzlicher Sehnsucht an, hatte Selene geklagt, wie leer ihr Leben war und wagte dennoch nicht, sich wieder zu verheiraten, weil sie glaubte, kein Kind mehr bekommen zu können. Vielleicht, dachte Selene hoffnungsvoll, würde Paulina, wenn sie das Kind annahm, auch den Mut finden, noch einmal zu heiraten.
    Sie war eine schöne Frau, charmant, gebildet, aus guter Familie, und sie war, auch wenn sie sich hinter einer kühlen Fassade versteckte, eine warme und gefühlvolle Frau. Unter den Männern des römischen Adels gab es genug, die das erkannten und Paulinas Nähe suchten. Aber sobald die Beziehung enger zu werden versprach, entzog sich Paulina, wie Selene bemerkt hatte, und sorgte dafür, daß die Freundschaft abkühlte.
    Dieses Kind könnte Paulinas Leben verändern, dachte Selene aufgeregt, während sie den Säugling auf ihr Bett legte und zudeckte. Er war ein hübscher kleiner Junge mit dichtem schwarzem Haar. Zart, aber gesund. Seine Mutter hatte während der Schwangerschaft offensichtlich nicht gedarbt. Nach der Operation waren Selene noch andere Dinge aufgefallen: die feine Qualität des Stoffes, aus dem die Gewänder des Mädchens genäht waren, ihre gepflegten, weichen Hände und Füße. Ein Bauernmädchen oder eine Sklavin war sie gewiß nicht gewesen; es war gut möglich, daß sie aus einer vornehmen Familie stammte. Warum hatte sie das Kind nicht zu Hause bekommen wollen?
    Als die letzten Gäste gegangen waren, schickte Selene eine Sklavin, Paulina zu holen. Und als Paulina wenig später erschien, angeregt noch von dem heiteren und interessanten Abend, bat Selene sie, Platz zu nehmen, und erzählte ihr die Geschichte von dem unbekannten Mädchen und der Kaiserschnittoperation.
    Zum Ende gekommen, wandte sie sich von Paulina ab, die nicht recht verstand, warum Selene ihr das alles erzählte, und nahm das schlafende Kind in ihre Arme.
    »Ich habe ihn mit mir nach Hause genommen«, sagte sie, sich umdrehend, »ich habe das Kind behalten.«
    Paulina sagte kein Wort und hielt den Blick starr auf Selenes Gesicht gerichtet.
    »Er ist so schön, die winzigen Händchen, alles ist vollendet geformt. Und er ist kräftig. Ich konnte ihn nicht sterben lassen.« Selene kniete vor Paulina nieder und zog die Decke von dem kleinen Gesichtchen. »Sieh doch, was für ein hübscher kleiner Knabe er ist.«
    Paulina sah hinunter. »Ja«, sagte sie.
    »Hier.« Selene hielt ihr das Kind hin.
    Aber Paulina rührte sich nicht. »Du wirst eine Amme für ihn brauchen. Ich werde eine für dich besorgen.«
    »Das Kind ist nicht für mich«, sagte Selene langsam. »Ich habe es dir mitgebracht.«
    »Was?« flüsterte Paulina. »Was hast du da gesagt?«
    »Nimm es nur einmal in die Arme –«
    Paulina sprang auf. »Du mußt verrückt geworden sein.«
    »Nimm es, Paulina. Halte es.«
    »Hast du den Verstand verloren? Du hast geglaubt,
ich
würde ihn nehmen?«
    »Er braucht ein Zuhause.«
    »Aber nicht bei mir!« Paulina ging ein paar Schritte und drehte sich abrupt um. »Das hätte ich nie von dir gedacht, Selene. Daß du von mir erwarten würdest, daß ich dieses – dieses –«
    »– dieses heimatlose kleine Kind!« sagte Selene und stand auf. »Sieh es dir nur einmal an, Paulina. Es ist doch nur ein kleines Kind.«
    »Ein Kind aus der Gosse. Ein Kind, das sonst niemand haben wollte.«
    »Ich
wollte es haben.«
    »Dann behalte es auch.«
    »Aber Paulina –«
    »Warum hast du das getan, Selene?« Paulina zitterte. »Wie kannst du so grausam sein?«
    »Ich konnte es nicht einfach aussetzen, Paulina.«
    »Warum nicht? In Rom wimmelt es von unerwünschten Kindern! Weshalb liegt dir gerade dieses hier so am Herzen?«
    Sie hatte recht; warum sollte Selene gerade dieses Kind am Herzen liegen, wo sie so viele gesehen hatte, die man einfach ausgesetzt und dem Tod überlassen hatte – neugeborene Mädchen, Krüppel, Bastarde.
    »Weil ich ihm das Leben gegeben habe«, antwortete Selene leise.
    »Dann behalte du es. Sei du seine Mutter.«
    »Aber warum kannst du es nicht nehmen, Paulina. Bitte erkläre es mir, nur damit ich es verstehe.«
    »Ich habe es dir schon früher gesagt. Ich will nicht das weggeworfene Kind einer anderen Frau.«
    »Sie hat ihn nicht weggeworfen, Paulina. Sie ist gestorben.«
    »Ich möchte ein Kind aus meinem eigenen Leib.«

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