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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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und ganz Rom brach in Jubelgeschrei aus.
    »Etwas ganz Neues«, bemerkte Cornelia Scipionis. »Man muß es dem schlauen alten Burschen lassen – dieses Spektakel übertrifft alles, was er bisher geboten hat.«
    Marcia Tullia nickte. »Claudius hat das Volk für ein weiteres Jahr für sich gewonnen.«
    Großes Geschrei von flußabwärts verkündete denen in der Nähe der kaiserlichen Tribüne, daß als nächstes ein besonders eindrucksvolles Schiff zu erwarten war, und da glitt es schon heran, ein lebendes Bild von starker Dramatik bietend.
    Zwei junge Menschen standen an Deck, reglos wie Standbilder. Das junge Mädchen, den nackten Körper von langem Haar umflossen, stand mit erhobenen Armen, das eine Bein leicht hinter dem anderen erhoben, als befände es sich in schnellem Lauf. Der junge Mann, der sie verfolgte, hielt die Arme ausgestreckt, als wolle er sie umfangen. Was die Menge zu ihrem begeisterten Jubel veranlaßte, war die bemerkenswerte Vorspiegelung der langsamen Verwandlung des Mädchens in einen Baum; Blätter hingen an ihren Fingerspitzen, ihre Arme waren mit Baumrinde überzogen, mit Lorbeer belaubte Zweige umrankten ihren Kopf. Die Zuschauer wußten, wer sie war: Daphne, die ihre Gestalt wandelte, um den Nachstellungen des Apollo zu entkommen.
    Wieder sah Selene sich nach Andreas um, und ihre Blicke trafen sich. Dachte auch er in diesem Moment an den Tag in der Grotte von Daphne?
    In ununterbrochener Folge glitten die Boote vorüber, trugen Götter und Göttinnen, Helden und Heldinnen der Sage, historische Gestalten an den begeisterten Zuschauern vorüber, und eines war phantasievoller gestaltet als das andere; auf einem konnte man sogar einen feuerspeienden Vulkan bestaunen, auf einem anderen einen von eben abstreichenden Schwänen gezogenen zweirädrigen Wagen.
    Als die Dunkelheit kam, wurden an den Ufern des Tiber Tausende von Fackeln entzündet, deren Schein sich im Wasser spiegelte. Die Klänge von Flöten und Harfen waren über das beständige Summen der feiernden Menge hinweg zu hören. Brot und Fleisch wurden unter den Leuten verteilt, dazu Karten zu einem Wagenrennen, das am folgenden Tag stattfinden sollte. Die Nacht wurde kühl, doch die Stimmung der Menge erhitzte sich immer mehr. »Claudius!« brüllten sie jedesmal, wenn ein neues Boot oder Floß sich zeigte. Sie waren betrunken, sie amüsierten sich, sie liebten ihren Kaiser. Für diesen Tag.
    Selene sah sich häufig nach Andreas um. Oft blickte er zu ihr hin, und dann tauchten ihre Blicke ineinander; mehrmals jedoch sah sie ihn auch in angeregtem Gespräch mit Agrippina, Claudius’ schöner Nichte.
    Plötzlich wurde es auf ein Signal hin mucksmäuschenstill. Kein Laut war zu hören außer dem Knistern der Fackeln und dem Plätschern des Wassers. Ein stattliches Schiff, das größte bisher, golden bemalt und von hundert goldenen Rudern, die im Gleichtakt ins dunkle Wasser tauchten, getrieben, glitt langsam um die Flußbiegung. Es funkelte im Fackelschein, und sein Abglanz lag wie flüssiges Gold auf dem Wasser. Der Nachtwind spielte mit Haaren und Togen, riß an Flaggen und Wimpeln. Niemand rührte sich, alles war still.
    Auf dem Schiff waren zwei verschiedene Szenerien aufgebaut, die jedoch an ihren Grenzen kunstvoll ineinander übergingen. Auf dem vorderen Teil war eine Meereslandschaft mit blauen Wogen und weißen Felsen und springenden Delphinen dargestellt, in deren Mitte eine herrliche weiße Muschel prangte. Sie war doppelt so hoch wie die beiden Knaben, die zu beiden Seiten von ihr standen. Als das Schiff näher kam, erkannten die Leute den siebenjährigen Britannicus, Claudius’ Sohn, und den elfjährigen Nero, Sohn der Agrippina.
    Der hintere Teil des Schiffes zeigte eine idyllische Waldlandschaft mit Rosen und Myrten, Schwänen und Tauben.
    Lautlos glitt das Schiff den Fluß hinunter. Die Menge begann unruhig zu werden. Außer den beiden Knaben, jeder mit einem Lendenschurz bekleidet und kleinen Flügeln auf dem Rücken, waren keine Darsteller auf dem Boot.
    Von unsichtbaren Ankern gehalten, kam es vor der kaiserlichen Tribüne zum Stillstand, ein Mysterium im Fackelschein.
    Die Leute begannen zu wispern und zu tuscheln – war etwas mißlungen? –, während die beiden Knaben sich von der Muschel entfernten und zum vordersten Ende des Bugs gingen. Wieder trat erwartungsvolles Schweigen ein. Dann war ein Knarren wie von sich langsam drehenden Rädern und Kurbeln zu hören. Als die gewaltige Muschel sich zu öffnen

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