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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Bauwerke Roms – das Theater des Marcellus ebenso wie den Tempel des Agrippa – überstrahlen würde.
    Ein Haus für Kranke!
    Agrippina gab den Trägern Zeichen, sie näher an das Flußufer heranzutragen. Sie hoffte, einen Blick auf Julia Selena erhaschen und sich mit eigenen Augen vergewissern zu können, ob das, was ihre Informanten ihr zugetragen hatten, der Wahrheit entsprach.
    Von ihrem neuen Standort aus konnte Agrippina die Gartenwege sehen, die noch trockenen Springbrunnen, Büsche und Sträucher noch winterlich kahl. Bald jedoch würde die Insel einem Göttergarten gleich mitten im alten grauen Fluß erblühen. Das war Julia Selenas Werk. Agrippina konnte sich nicht erinnern, daß die Insel je etwas anderes gewesen war als ein Schandfleck. In fünfeinhalb Jahren hatte Julia Selena ein Schmuckstück aus ihr gemacht.
    Nur dank Claudius’ neuem Erlaß hatte sie das schaffen können, der gleich nach dem Flußfest geschrieben worden war und bestimmte, daß jeder Sklave, der auf der Tiberinsel ausgesetzt und dort geheilt wurde, freigelassen werden mußte.
    Die Konsequenzen waren vorhersehbar gewesen und hatten sich schnell gezeigt. Niemand wagte, gegen den Erlaß des Kaisers zu verstoßen; plötzlich begannen die Leute, die alte Insel wieder zu achten. Und die Sklavenhalter erkannten, daß sie gutes Geld zum Fenster hinauswarfen, wenn sie ihre Sklaven auf der Insel aussetzten, nur um sie nach ihrer Gesundung freilassen zu müssen.
    Beinahe über Nacht hatte die üble Praxis, unbrauchbar gewordene Sklaven auf die Insel abzuschieben, ein Ende. Die Zahl der Pflegebedürftigen verringerte sich zusehends, Tempelraum und Nebengebäude leerten sich, die Insel begann sich zu erholen. Gold von reichen Spendern, die sich der Gunst des Kaisers versichern wollten, floß in die Truhen; Mauern und Dächer wurden repariert; Gärten und Brunnen wurden angelegt. Die Hilfesuchenden kamen wieder und mit ihnen die Ärzte aus der Stadt. Alle sagten, der Gott wäre auf die Insel zurückgekehrt, und seine Rückkehr sei allein der Enkelin des göttlichen Julius Cäsar zu verdanken.
    Die Römer waren ein frommes und abergläubisches Volk; sie achteten die alten Traditionen, fürchteten die Götter und verehrten ihre Vorfahren. Das erklärte Julia Selenas ungeheure Popularität. Stets schnell bereit, sich einen Helden zu erwählen, den sie vergöttern konnten, hatten die Leute Roms Julia Selena zu ihrem Idol erhoben – nicht nur wegen ihrer Abstammung, sondern auch wegen ihrer ›guten Werke‹.
    Agrippina krallte die Finger so fest in den Vorhang, daß er beinahe zerriß. Wieso durchschauten die Leute Julia Selenas Spiel nicht? Ein Asyl für die Kranken, bei allen Göttern! Wo sie bleiben konnten, solange es nötig war, und von ausgebildeten Pflegern versorgt wurden. Auf der ganzen Welt gab es keine solche Einrichtung. Es war eine List, da war Agrippina ganz sicher; diese Zufluchtsinsel und dieses obszöne Haus mit seinen zum Himmel aufragenden Säulen sollten einzig dazu dienen, Julia Selena ihren Platz in den Herzen der Leute zu sichern.
    Damit ihr Sohn und nicht meiner der nächste Kaiser wird!
    Endlich erblickte sie sie. In die weiße Leinenstola gekleidet, die sie kennzeichnete, das Haar in ein Tuch eingebunden, den wohlbekannten Ebenholzkasten über der Schulter, trat Julia Selena aus einem der kleinen Steinhäuser und schritt einen Pfad entlang zum Baugelände am nördlichen Ende der Insel. Ihr dicht auf den Fersen war ihr ›Schatten‹, Pindar, der Schwachsinnige, der eines Tages auf der Insel erschienen war und seitdem nicht mehr von Julia Selenas Seite wich.
    Agrippina kniff die Augen zusammen. Julia Selena näherte sich jetzt dem Domus; die Männer legten die Arbeit nieder und begrüßten sie mit lauten Rufen. Der launische Märzwind, der aus dem Westen geblasen hatte, drehte sich plötzlich und wehte fauchend von Norden heran. Er packte Julia Selenas Palla und hob sie hoch, so daß die neue volle Rundung ihres Leibes sichtbar wurde.
    Agrippina ließ den Vorhang fallen. Sie hatte genug gesehen. Ihre Informanten hatten die Wahrheit gesprochen. Julia Selena war schwanger.
    Während sie den Trägern ihre Befehle gab und vom Flußufer weggetragen wurde, begann sie schon, ihre Überlegungen anzustellen. In den vergangenen fünfeinhalb Jahren war Julia Selena keine Bedrohung für sie gewesen; jetzt aber war sie gefährlich geworden. Agrippina wußte, daß sie handeln mußte.
    Julia Selenas Kind – und das Domus – durften

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