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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Tochter –«
    »Ihr Vater und ich waren nicht verheiratet. Ich begegnete ihm lange, nachdem ich aus Antiochien fortgezogen war. Er –«
    Andreas brachte sie mit einem Kuß zum Schweigen, und sie schlang ihm die Arme um den Hals.
    »Ich habe dich überall gesucht«, murmelte er, den Mund in ihrem Haar. »Ich reiste nach Tyrus, nach Cäsarea. Ich lebte nur für den Tag, wo ich dich wiederfinden würde, Selene. Der Schmerz war unerträglich. Ich dachte, wenn ich dich finden würde, würde ich um dich kämpfen, dich zurückgewinnen. Ich hatte keine Ahnung, wohin du verschwunden warst.«
    »Die grauenvollen Monate in Lashas Palast«, stammelte sie schluchzend. »Und dann die Wüste, immer auf der Flucht, immer in Angst. Aber du hast mich immer begleitet, Andreas. Ich betete darum, daß du mich eines Tages finden würdest.«
    »Und jetzt endlich habe ich dich gefunden und lasse dich nie wieder fort. Nie habe ich einen Menschen so sehr geliebt, Selene, wie ich dich liebe. Du hast mich gelehrt, wieder zu träumen, wieder zu hoffen. Du gabst mir meine Selbstachtung wieder, aber als du verschwandst, da waren die Träume und die Hoffnung zerschlagen. Ich ging wieder aufs Meer …«
    »Jetzt können wir wieder träumen, Andreas. Zusammen! Wir können dort wieder anfangen, wo wir in der Grotte aufgehört haben. Du wirst deine Bücher schreiben, du wirst unterrichten, und ich –«
    Sie küßten sich wieder und all der Schmerz des grausamen Getrenntseins wurde von ihren Tränen fortgespült. Dann führte Andreas Selene hinaus, in jene Räume im Palast, wo er wohnte.

Achtes Buch
Rom
    59
    Da stand es. Das
Domus Julia,
Zuflucht für die Kranken und Leidenden.
    Kaiserin Agrippina zog den Vorhang ihrer Sänfte gerade so weit auf, daß sie hinausspähen konnte, ohne selber gesehen zu werden. Sie hatte auf dem linken Ufer des Tiber anhalten lassen, um das Treiben auf der Insel zu beobachten, wo das Domus Julia im Bau war. Diese Frau, dachte sie jetzt, besitzt die Anmaßung, diesem Werk ihrer Narrheit den Namen eines der ältesten und vornehmsten Geschlechter Roms zu geben. Und Claudius, dieser Idiot, billigt es.
    Agrippina packte den Vorhang fester. Sie wußte genau, was Julia Selena im Schilde führte – daß sie diesen Namen angenommen hatte, war Beweis genug für ihre ehrgeizigen Pläne. Der Name Julia Selena war Selene vor fünfeinhalb Jahren am Abend des Flußfestes vom römischen Volk verliehen worden. Wie demütig hatte sich Julia Selena gezeigt, nachdem sie Britannicus das Leben gerettet hatte. Mit welcher Bescheidenheit hatte sie die Huldigungen des Pöbels entgegengenommen! Aber Agrippina wußte die Wahrheit. Sie wußte, daß Julia Selena die Herrschaft über das Römische Reich genau so entschlossen anstrebte wie sie selber, Agrippina.
    Seitdem sie nach Messalinas Hinrichtung vor viereinhalb Jahren Claudius’ Ehefrau geworden war, wurde Agrippina nur von einem Ehrgeiz getrieben: Mutter eines Kaisers zu werden. Sie hatte es erreicht, Claudius’ Ehefrau und zu seiner rechtmäßigen Gattin erklärt zu werden, und sie hatte Claudius dazu überreden können, ihren Sohn Nero als seinen eigenen zu adoptieren, was ihn, da er älter war als Britannicus, zum Thronfolger machte. Jeder, der für Agrippinas Pläne auch nur die geringste Bedrohung darstellte, wurde beseitigt. Sie hatte dafür gesorgt, daß ihr Sohn der einzige noch lebende Nachkomme aus dem vereinten Geschlecht der Julier und Claudier war; das Volk würde nach Claudius’ Tod keine Wahl haben, als ihn als Herrscher anzunehmen.
    Doch nun, so schien es, gab es ein neues Hindernis.
    Agrippina beobachtete die Aktivitäten auf der Insel mit scharfem Blick. Die Bauarbeiter, die Steinmetze, die Marmorschleifer, die Handwerker und die Baumeister, alle wimmelten sie so geschäftig wie die Bienen auf dem Gelände herum. Hirnlose Drohnen, dachte Agrippina, die ihre Königin umschwirren. Aber wo war denn die ›Erhabene‹ an diesem Morgen?
    Agrippina zog den Vorhang ein wenig weiter auf und ließ ihr Auge über die Insel schweifen.
    An ihrem Südende stand der alte, bescheidene Tempel des Äskulap, umgeben jetzt von Gärten und den kleinen Nebengebäuden – Vorrats- und Räucherhäusern –, die Julia Selena in provisorische Krankenasyle umgewandelt hatte. Beherrscht jedoch wurde die Insel von dem erst halbfertigen Bau des Domus mit seinen majestätischen Granitsäulen und Marmorbögen, die von zukünftiger Pracht kündeten und ahnen ließen, daß dieser Bau alle anderen

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