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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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lautlos wieder hinaus. Marcella starrte auf die Schriftrollen, und das Blut gefror ihr in den Adern.
    »Weißt du, was das für Schriftstücke sind?« fragte Agrippina.
    Marcella schüttelte den Kopf.
    »Das sind beeidigte Aussagen von Personen, die Zeugen deiner staatsfeindlichen Äußerungen und Handlungen wurden. Zeugen deines Verrats.«
    »Verrat?!«
    »Bestreitest du es etwa?«
    »Ganz entschieden. Ich habe nie auch nur einen verräterischen Gedanken gehabt.«
    »Zu deinem Unglück ist das keine Verteidigung. Bist du bereit, dich einem ordentlichen Gericht zu unterstellen?«
    »Ja. Meine Freunde werden meine Loyalität Rom und dem Kaiser gegenüber bezeugen.«
    Agrippina zog eine fein geschwungene Braue in die Höhe. Marcella wurde angst. Sie starrte wieder auf die Schriftrollen. Wer hatte unterschrieben? Wer hatte sie verraten? Wen hatte die Kaiserin mit Drohungen genötigt, einen Meineid zu schwören, so wie sie Marcella jetzt nötigen wollte, einen Mord zu begehen?
    »Siehst du?« fragte Agrippina. »Du hättest vor Gericht keine Chance. Und auf Verrat steht, wie du weißt, der Tod.«
    Marcella blieb stumm.
    »Also«, sagte Agrippina, stand auf und stellte sich vor Marcella hin. »Dieses Gold ist erst die Hälfte der Bezahlung. Wenn du meinen Auftrag ausgeführt hast, wirst du die andere Hälfte erhalten – und diese Schriftrollen dazu.«
    Marcella raffte ihren ganzen Mut zusammen. »Ich glaube dir nicht«, sagte sie. »Diese Schriftrollen sind unbeschrieben.«
    »Oh, vergewissere dich ruhig mit eigenen Augen. Sieh sie dir an.«
    Mit zitternder Hand nahm Marcella eine der Rollen und öffnete sie. Sie las die Beschuldigung und die Unterschrift darunter. Sie stammte von der Hand des Bäckers, der seit Jahren ihr Nachbar war. Sie las noch eine und noch eine. In allen wurde sie beschuldigt, staatsfeindliche Äußerungen getan zu haben.
    Die Kaiserin sah zu, wie das Gesicht der Frau mehr und mehr verfiel. Gerade so waren die Gesichtszüge dieses Gallus in Resignation erschlafft. Gallus war Agrippinas Handlanger auf der Insel gewesen. Eine Zeitlang hatte er sich recht gut bewährt, hatte die Bauarbeiten beinahe zum Stillstand gebracht. Noch einige ›schlechte Omen‹ mehr, und kein Mann im ganzen Reich hätte für den Bau des Domus noch einen Finger gerührt. Leider war man Gallus dann auf die Schliche gekommen. Ein loyaler Anhänger Julia Selenas hatte ihn bespitzelt und auf frischer Tat ertappt. Venus hatte angeblich eine weiße Taube gesandt, zum Zeichen, daß ihr Segen auf dem Domus ruhte, und zwei Tage später hatte man Gallus’ enthauptete Leiche im Fluß treibend gefunden.
    Agrippina war gezwungen gewesen, andere Maßnahmen zu ergreifen. Jedoch ohne Erfolg. Julia Selenas Beliebtheit war ihr Schutz; hinzukam, daß sie die Freundschaft Claudius’ genoß. Er mochte Julia Selena und nahm Anteil an ihrem Vorhaben. Agrippina hatte ihren Mann noch nicht an Macht überflügelt; sie mußte vorsichtig sein. Das Domus war zwar fast fertig, aber noch war Zeit. Die Sache mit dem Kind hingegen drängte.
    »Nun?« sagte sie zu der Hebamme.
    Marcella legte die letzte Schriftrolle auf den Tisch zurück und senkte den Kopf. »Ich werde tun, was du wünschst.«
     
    Die Stadt lag unter sengender Hitze. Kein Lüftchen bewegte die Blätter der Bäume. Im Circus Maximus jagte ein Spektakel das andere, um das Volk abzulenken, das in der sommerlichen Glut zu jähen Ausbrüchen von Gewalt und Rebellion neigte.
    An diesem Tag drängten sich die Massen zu den Spielen zu Ehren des Gottes Augustus. Denn dies war der Monat, der nach ihm benannt war. Auf einem künstlichen See sollte eine große Schiffsschlacht stattfinden, bei der zwei Mannschaften mit Schiffen und Katapulten so lange miteinander kämpfen sollten, bis eine niedergemetzelt war.
    Die Straßen Roms waren darum fast leer, als Selene und Pindar sich langsamen Schrittes dem Forum näherten, wo der Tempel des göttlichen Julius Cäsar stand. Andreas hatte Selene gebeten, nicht auszugehen, aber sie hatte sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen lassen. Genau vier Monate war es her, daß Ulrika nach Norden aufgebrochen war, und sie hatte bis zu diesem Tag nichts von ihr gehört. Selene wollte im Schrein ihres Urgroßvaters ein Opfer darbringen und den göttlichen Julius bitten, Ulrika zu behüten.
    Pindar, der sie begleitete, war sehr besorgt um sie, faßte sie immer wieder unter dem Ellbogen, um sie zu stützen und trug ihren Medizinkasten. Selene, hochschwanger, bewegte

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