Seelenfeuer
hätte sie es fertigbringen sollen, ihm fernzubleiben?
9
Zoë sah ihnen nach, als sie gingen, und Tränen der Eifersucht und der Wut schossen ihr in die Augen. Sie sah, wie sich Andreas und das Mädchen dem Festzug anschlossen, der sich die Straße hinunterwand, und blieb am Fenster stehen, bis auch die letzten Nachzügler verschwunden waren und wieder Stille eingekehrt war. Nie in ihrem zweiundzwanzigjährigen Leben der Armut und des Getretenwerdens, der Einsamkeit und des Unglücks, nicht einmal in den Nächten finsterster Verzweiflung war Zoë die Ungerechtigkeit des Lebens so schmerzhaft bewußt geworden wie in dieser Stunde.
Sie
hätte mit ihm auf das Fest gehen müssen;
sie
hatte ihr Bett hergegeben und ihn aufgenommen, als er verwundet gewesen war. Sie war es gewesen, die die Heilerin hatte holen lassen; sie hatte an seiner Seite gesessen, bis er erwacht war. Den schönsten Träumen von einem gemeinsamen Leben mit ihm hatte sie sich hingegeben.
Und beinahe wären sie ja auch in Erfüllung gegangen. Er war in ihrem Zimmer erwacht und hatte sie einen flüchtigen Moment lang voll Zärtlichkeit und Gefühl angesehen. Zum erstenmal in ihrem Leben war ihr das Herz weich geworden. Doch als er am folgenden Tag wieder erwacht war, hatte er nach einem Menschen namens Malachus verlangt, man hatte ihn fortgebracht und sie mit ihren zerstörten Träumen allein gelassen.
Einige Tage später jedoch hatte sie eine Einladung von Andreas erhalten. Er hatte sie in sein Haus rufen lassen und ihr eine Belohnung dafür angeboten, daß sie ihn bei sich aufgenommen hatte. Die alte Zoë hätte Geld verlangt und wäre zu Schiff nach Sizilien gereist, um sich dort ihr Häuschen mit Garten zu kaufen. Doch die neue Zoë hatte von Liebe betört darum gebeten, als Dienerin in Andreas’ Haus bleiben zu dürfen. Nun hatte sie ein eigenes kleines Zimmer; sie trug ordentliche Kleider und wurde für ihre Dienste bezahlt. Sie war jetzt versorgt und eine anständige junge Frau.
Doch das alles bedeutete Zoë nichts. Für sie zählte einzig, daß sie in Andreas’ Nähe sein konnte.
Eine Zeitlang war es der Himmel auf Erden gewesen, ihm seinen Wein einzuschenken, Blumen in sein Zimmer zu stellen, immer und überall für sein Behagen zu sorgen. Bis dieses Mädchen erschienen war.
Zoë war nicht dumm. Sie wußte, was der Ausdruck in den Augen ihres Herrn bedeutete, wenn er dieses Mädchen sah. Zoë selbst sah Andreas mit solchen Blicken an, nur bemerkte er es nicht.
Aber sie war fest entschlossen, nicht aufzugeben. Endlich hatte sie einen Mann gefunden, für den Opfer und Kampf sich lohnten, und sie würde weder das eine noch das andere scheuen, um Andreas für sich zu gewinnen.
Zoë wandte sich jetzt, wo es auf der Straße wieder still geworden war, vom Fenster ab und merkte nicht, daß sie selbst beobachtet wurde. Malachus verfolgte sie mit sehnsüchtigen Blicken.
Es war grausame Ironie und ein Fluch dazu, daß ein Mann so spät im Leben endlich der Liebe begegnen sollte; daß er sich ausgerechnet in ein Mädchen verlieben sollte, das so jung und so hartherzig war, daß diese Liebe ihm mehr Kummer als Freude brachte. Malachus wußte, was Zoë von ihm hielt; sie hatte der Haushälterin einmal gesagt, er hätte Ähnlichkeit mit einem Tanzbären, der seinem Herrn ständig hinterher trottete. Malachus konnte nicht leugnen, daß er ein großer und schwerfälliger Mann war, der sich nicht darauf verstand, schöne Worte zu machen. Doch sein Herz war groß, er war zuverlässig und treu. Er wußte nicht, ob Zoë ahnte, daß er sie liebte; er glaubte es nicht, meinte, daß sie ihn dann wohl kaum so grausam behandelt hätte. In seiner Einfalt gab Malachus sich der Hoffnung hin, daß sie ihm freundlicher entgegenkommen würde, wenn sie wüßte, wie er zu ihr stand; und daß sie eines Tages vielleicht sogar seine Gefühle erwidern würde.
Aber nicht solange ich ein Sklave bin, dachte Malachus unglücklich, während er ihr nachsah. Sie wird mich nicht lieben, solange ich den Sklavenring im Ohr trage.
Zum erstenmal in seinem Leben verfluchte Malachus, der Sklave, sein Los. Er wollte die Freiheit. Nur dann konnte er Zoë gewinnen. Alle Geschenke, die er ihr machte – die Feigen, das Halstuch, das Armband, das ihn so viel Geld gekostet hatte –, nahm sie mit einer kühlen Gleichgültigkeit entgegen, die ihm bitter weh tat. Aber seine Freiheit, seine Selbständigkeit als Mensch und Mann, die würde sie gewiß zu schätzen wissen; um sie zu erlangen,
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