Seelenfeuer
sondern ein
Palast
, ein Prunkbau mit vielen Zimmern, mit Bädern und einem Thronsaal, in dem hundert Sklaven, die am Tag ihrer Grablegung lebendig mit ihr eingemauert werden würden, ihr in ihrem Nachleben zu Diensten sein würden. Aber nicht nur sollte Lashas Grabmal herrlicher werden als das ihrer Mutter und aller sagenhaften persischen Könige, sie wollte auch mit dem reichsten Kronschatz in die Ewigkeit eingehen.
Lasha, die den Nachmittag auf der Baustelle zugebracht hatte, wo sie den Steinmetzen zugesehen und sich mit den Baumeistern beraten hatte, saß tief beunruhigt in ihren Gemächern. Bei ihrer Rückkehr in den Palast hatte sie schlechte Nachricht aus dem Harem erhalten. Die jungfräulichen Mädchen, die drei Monate zuvor gefangen und nach Magna gebracht worden waren, hatten den König nicht von seiner Impotenz heilen können.
Aber es durfte nicht dazu kommen, daß sie einen neuen Gemahl nehmen mußte! Ihr Ziel, im Himmel der Götter zu herrschen, konnte sie nur erreichen, wenn sie die Reichste unter den Göttern war, und den Schatz, den sie heimlich in ihrem Grabmal gehortet hatte, konnte sie nur bewahren, wenn der alte Zabbai ihr Gemahl blieb.
Lashas Ehemann scherte sich nicht um ein Leben im Jenseits und göttliche Ehren. Er war ein gottloser Lustmensch, der nur der Befriedigung seiner fleischlichen Begierden lebte. Als Mädchen von zwölf Jahren, das Liebe nicht kannte und in der Umarmung ihres neuen Gemahls kalt blieb, so daß er sich schließlich anderswo sein Vergnügen suchte, hatte Lasha begonnen, langsam und mit Bedacht ihre Schätze für das Jenseits zusammenzutragen. Immer wenn ihr Heer gegen andere Königreiche marschierte und mit kostbarer Beute heimkehrte, interessierte sich Zabbai nur für die Frauen und Mädchen, die gefangengenommen worden waren; wenn Vasallenkönige Magna Tribut zollten, beachtete er weder Gold noch Edelsteine, war nur auf Geschenke aus Fleisch und Blut erpicht. Alle Reichtümer flossen der Königin zu, die nunmehr zu den reichsten Frauen der Welt gehörte.
Aber das wußte die Welt nicht. Andere Herrscher mochten mit ihrem Reichtum glänzen, Lasha hortete ihre Schätze einzig für das nächste Leben. Sie gestattete genug Prunk und Luxus im Palast, um Freund und Feind zu beeindrucken und Zabbai bei Stimmung zu halten, aber alle Reichtümer, die darüber hinaus nach Magna flossen, wanderten unverzüglich in die Schatzkammer des Grabmals, das Tag und Nacht von Wächtern bewacht wurde, denen man die Zunge herausgeschnitten hatte, damit Lasha am Tag ihres Todes in die siebente Sphäre des Himmels aufsteigen und die Götter mit ihren Schätzen blenden konnte.
Denn nur so konnte sie sich ihren Platz unter diesen Göttern sichern. Sie würden sie in ihre Reihen aufnehmen und auf den Thron heben, sie zu einer Herrscherin des Himmels machen, deren Glanz selbst den der Isis und der Ishtar überstrahlte.
Aber nun …
Zabbai war impotent. Das hieß, daß er beseitigt werden mußte; ein impotenter König nämlich verhieß Unglück für die Stadt. Die Fruchtbarkeit des Königs war mit der seines Volkes verbunden; versiegte sie, so würde auch Magna brachliegen. Und wenn Zabbai beseitigt war, mußte Lasha einen neuen Gemahl nehmen, einen jungen Prinzen auf der Höhe seiner Manneskraft, der, zweifellos ehrgeizig, sein Augenmerk sogleich auf Lashas Grabmal richten würde, um die Schätze, die sie so sorgsam angehäuft hatte, für seine eigenen Zwecke zu verwenden.
Sie ballte die Hand zur Faust und schlug zornig auf die Armlehne ihres Sessels. Wie dumm und kurzsichtig war sie gewesen, als sie aus Widerwillen gegen ihren Gemahl sich geweigert hatte, ihre königlichen Pflichten zu erfüllen! Vor Jahren schon hätte Zabbai mit ihr ein Kind zeugen können, einen männlichen Nachkommen, der nun alt genug gewesen wäre, den Platz seines Vaters als König einzunehmen – unter Anleitung seiner Mutter natürlich. Aber sie hatte zu lange gewartet, hatte ihre Pflicht am Ende nur erfüllt, weil die Hohe Priesterin gesagt hatte, die Göttin hätte gesprochen. Diese eine Vereinigung mit Zabbai hatte Frucht getragen. Lasha hatte einen Sohn geboren, doch der war noch zu jung, um seinen Vater zu ersetzen.
»Meine Königin!«
Lasha blickte auf. Die Hohe Priesterin Allats war in ihr Zimmer getreten. »Was störst du mich heute abend?«
Die Priesterin vermied es, direkt vor die Königin zu treten. Immer wenn Königin Lasha empfing, setzte sie sich so, daß nur ihr gesundes Auge zu sehen war.
Weitere Kostenlose Bücher