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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Gleich darauf jedoch, ohne daß sie auch nur versucht hätte, sich zu wehren, erschlaffte ihr Körper, und ihre Augen verdrehten sich. Selene drückte noch einen Moment, während sie versuchte, sich die Worte ihrer Mutter ins Gedächtnis zu rufen, und darum betete, daß sie es richtig machte, dann ließ sie los und richtete sich auf. Sie schlug die heiligen Zeichen Allats und Isis’ über der Königin und sprang auf.
    Sie zog sich den Gurt ihres Medizinkastens über die Schulter und huschte zur Tür. Als sie dort stand, das Ohr an den kalten Stein gedrückt, um zu lauschen, wurde Wulf plötzlich lebendig. Er rannte zur Tür, zog Selene weg und legte seinerseits das Ohr an den Stein. Dann stieß er die Tür auf, hielt nach beiden Seiten im dunklen Gang Ausschau und gab Selene schließlich Zeichen, ihm zu folgen.
    Der Gang war leer, wie sie gehofft hatte. Vorsichtig trat sie hinaus und blieb dicht hinter Wulf stehen, der vorgebeugt stand, jeden Muskel gespannt, zum Sprung bereit. Einen Moment lang spähten sie in die Finsternis, lauschten in die Stille, dann drehte Wulf sich um, packte den Gurt von Selenes Medizinkasten, schwang sich den Kasten über die Schulter und bedeutete ihr, vorauszugehen.
    Selene wartete, bis Wulf die schwere Tür hinter sich geschlossen hatte. Wie lange? dachte sie. Wie lange würden die Priesterinnen warten, ehe sie ungeduldig wurden? Wie lange würde es dauern, bis Lasha wieder zu Sinnen kam und ihnen ihre Soldaten nachhetzte?
    Gemeinsam lieferten sich die beiden Flüchtlinge dem Unbekannten aus. Lautlos eilten sie durch dunkle Gänge, blind, weil nirgends auch nur ein Lichtschimmer winkte. Nur die schreckliche, alles verschlingende Schwärze war um sie, mit der Selene gerechnet hatte. Ihr war von Anfang an bewußt gewesen, daß es zu gefährlich gewesen wäre, aus der heiligen Kammer eine Fackel mitzunehmen. Ihr Licht hätte Priesterinnen und Wachen alarmieren können. Die Finsternis, die sie bedrohte, war auch ihr Schutz. Es hätte auch keinen Sinn gehabt, den Weg mit Kieseln oder Kreidezeichen zu kennzeichnen, selbst wenn das möglich gewesen wäre, denn ohne Licht hätte sie diese Zeichen ja nicht sehen können. Aber dann war ihr der Schwefelbrocken eingefallen. In der Grabesstille dieser nachtschwarzen unterirdischen Gänge, in denen man nichts sah und hörte, konnte nur ein Geruch sie leiten – der Geruch brennenden Schwefels, ein Geruch nach faulen Eiern.
    Vorausgesetzt, der Schwefelbrocken hatte weitergebrannt.
    Sie tasteten sich an den steinernen Mauern entlang, als balancierten sie auf schmalem Sims über einem Abgrund. Hände und Rücken an den feuchtkalten Fels gedrückt, schoben sie sich vorwärts, und Selene blieb immer wieder stehen und hob schnüffelnd die Nase in die Luft, in der Hoffnung, einen Schwefelhauch zu erhaschen; wenn eine Wand endete, war es, als fielen sie ins Nichts. Dann mußten sie in der Finsternis umhertasten, bis sie die abzweigenden Gänge fanden. Hand in Hand schlichen sie dann weiter.
    Die Zeit schien sich ins Unendliche zu dehnen, und Selene geriet in Panik. In diesem Gang waren sie doch schon gewesen! Sie liefen im Kreis! Gleich würden sie wieder vor der Hochzeitskammer stehen. Gleich um die nächste Ecke würden sie auf die Priesterinnen und eine tobende Lasha stoßen …
    Immer öfter blieb Selene stehen, um zu wittern. Manchmal nutzte dann Wulf die Gelegenheit, um den Medizinkasten über die andere Schulter zu hängen. Sie sprachen nichts; sie verständigten sich ohne Worte, auf den Wellen von Furcht und ängstlichem Verlangen, während sie sich Körper an Körper durch die Finsternis tasteten.
    Beide fühlten sie über sich das erdrückende Gewicht des gewaltigen Tempels. In einem solchen Labyrinth hatte vor langer Zeit ein Grieche namens Theseus gegen ein stierköpfiges Ungeheuer gekämpft. Was für Ungeheuer, fragte sich Selene zitternd, lauerten hier, in dieser furchtbaren Finsternis?
    Undurchdringlich war die Dunkelheit, schien nie mehr aufhören zu wollen. Lange vor ihrer Zeit waren diese beiden Flüchtlinge in die Unterwelt geraten. Doch nach einer Weile geschah beiden etwas Seltsames: Sie begannen zu sehen.
    Ein eigenartiges Licht glomm plötzlich aus dem Nichts auf, Bilder tauchten auf und zerflossen wieder. Selene sah das kleine Haus im Armenviertel Antiochiens, die Schiffe im Hafen, Andreas, wie er unter dem Lorbeerbaum stand. Wulf sah vertraute Wälder, weite Schneedecken, seine Frau, wie sie das Feuer entzündete. Anfangs waren die

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