Seelengesaenge
Kontrollkonsolen, allesamt voll besetzt, unerbittliche, besessene Wissenschaftler und Techniker, die ganz in den Anzeigen der AV-Projektoren versunken waren. Es war eine Szenerie energischer Kompetenz und wissenschaftlicher Bemühungen, die wie immer das Konzept von unpersönlicher Effizienz untermauerte.
Samuel Aleksandrovich bezweifelte, daß es einen anderen Weg gab, wie die Wissenschaftler sich ihrer Aufgabe hätten widmen können; sie brauchten einen psychologischen Puffer zwischen sich und dem Subjekt. Subjekt – er schalt sich innerlich, obwohl er in den Tagen seines aktiven Dienstes weit größere Unmenschlichkeit erlebt hatte.
Mit Captain Khanna an seiner Seite trat er zögernd zu der transparenten Wand, die das Labor in der Mitte teilte. Er fragte sich, ob er Mißbilligung oder Zustimmung zum Ausdruck bringen sollte, doch am Ende begnügte er sich mit derselben nüchternen Gleichgültigkeit, die jeder hier im Labor zusammen mit dem weiten weißen Kittel aufzusetzen schien.
Auf einem Operationstisch lag Jacqueline Couteur, nackt, kahlgeschoren und bewegungsunfähig. Obwohl liegen wahrscheinlich nicht der passende Ausdruck war, verdrahtet schien passender. Graue Kompositstreben bildeten einen Käfig, der ihren gesamten Körper eng umschloß. Die Streben waren mit Klammern versehen, die große runde Elektroden gegen ihre Unterarme, ihren Bauch und ihre Oberschenkel drückten; unter den silbrigen Metallplättchen leckte durchsichtiges Gel hervor, das besseren Kontakt und bessere Leitfähigkeit sicherstellen sollte. Zwei an der Decke montierte Waldo-Arme waren mit Sensoren ausgerüstet, die aussahen wie Bündel dicker Gewehrmündungen. Sie schwenkten unablässig und lautlos über den schutzlos daliegenden Körper. Das dicke runde Band, das Jacqueline Couteurs Kopf an Ort und Stelle hielt, sah aus, als wäre es mit ihrer Haut verschmolzen. Man hatte ihr einen Plastiktubus in den Anus gesteckt, und ihre Vagina war vom Saugstück einer Null-g-Toilette bedeckt. Samuel Aleksandrovich war unschlüssig, ob es eine zivilisierte Höflichkeit war oder die endgültige Demütigung.
Nicht, daß Jacqueline Couteur etwas darum gegeben hätte – nicht in ihrem gegenwärtigen Zustand. Ihre gesamte Muskulatur zuckte und zitterte in spastischen Stößen.
Das bebende Fleisch auf ihrem Gesicht sah aus, als wäre sie einer Beschleunigung mit hohen g-Kräften ausgesetzt.
»Was, zur Hölle, machen Sie mit ihr?« fragte Captain Khanna in einem heiseren Flüsterton.
Der Leitende Admiral konnte sich nicht erinnern, den Stabsoffizier jemals zuvor in Gegenwart seiner Vorgesetzten reden gehört zu haben.
»Wir neutralisieren ihr offensives Potential«, erklärte Dr. Gilmore im Tonfall äußerster Zufriedenheit. »Der Bericht von Lalonde enthielt einen Hinweis von Darcy und Lori, daß Elektrizität die Besessenen negativ beeinflußt. Wir sind der Sache nachgegangen und fanden heraus, daß es zutrifft. Deswegen haben wir Jacqueline Couteur unter Strom gesetzt.«
»Mein Gott, das ist …!« Khanna verzerrte das Gesicht zu einer entsetzten Fratze.
Dr. Gilmore ignorierte die Reaktion und wandte sich einzig und allein an den Leitenden Admiral. »Sie muß ihr gesamtes energistisches Potential einsetzen, um den Strom abzuwehren. Wir haben mit der Spannung experimentiert, bis wir dieses Gleichgewicht fanden. Ihre physiologischen Funktionen arbeiten normal, doch sie ist vollkommen außerstande, diesen Realdysfunktionseffekt heraufzubeschwören. Sie kann keine Materie mehr verzerren, keine Illusionen schaffen und keine weißen Feuerbälle verschleudern. Das bedeutet, daß wir sie ungehindert und ohne jede Störung studieren können; selbst unsere elektronischen Systeme funktionieren in ihrer Gegenwart wieder mit einer Effizienz von fünfundachtzig Prozent.«
»Und was haben Sie herausgefunden?« fragte der Leitende Admiral.
»Bitte vergessen Sie nicht, daß wir an der Schwelle zu einem völlig neuen Forschungsgebiet stehen.«
»Doktor«, mahnte der Leitende Admiral.
»Selbstverständlich, Sir. Erstens haben wir eine Screeningmethode entwickelt, mit der wir jeden Besessenen sofort identifizieren können. In ihren Körpern findet eine winzige, aber kontinuierliche Entladung statischer Energien statt. Wir glauben, daß es sich um ein Nebenprodukt handelt, das aus ihrem Jenseits-Kontinuum in das unsrige überläuft. Ein derartiger Zustrom würde außerdem die Mengen an Energie erklären, die die Besessenen ständig zu ihrer freien
Weitere Kostenlose Bücher