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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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glaube? Irgendwann in den letzten Jahrzehnten oder Jahrhunderten hast du über deiner Schauspielerei vergessen, wer du wirklichbist und was du willst. Finde dich selbst, Kyriel, dann musst du niemandem mehr etwas vormachen – auch nicht dir selbst.«
    Ohne ihre Cola angerührt zu haben, stand sie auf und ließ mich mit ein paar ordentlichen Brocken zum Nachdenken zurück.
    Sie hatte recht. Nur dass mein Leben erst so durcheinandergeraten war, seit ich ihr begegnet war. Und seit ich herausgefunden hatte, dass Luzifer und ich nicht länger dieselben Ziele zu verfolgen schienen. Jules all das zu erzählen, es einmal laut auszusprechen, half mir, meine eigenen Gedanken zu sortieren und klarer zu sehen.
    Ich hatte an das geglaubt, wofür wir so lange gekämpft hatten. Es war darum gegangen, etwas zu verändern und nicht länger stillschweigend mit anzusehen, wie der Hirte sich zurückhielt, während die Menschen an Hunger, Krankheiten und Kriegen starben. Seine Weigerung, sich mehr in die Geschicke der Menschen einzumischen, hatte letztlich zu unserer Rebellion geführt, an deren Ende ich mit Luzifer und seinen Gefolgsleuten aus dem Himmel verbannt worden war.
    Seit Jahrtausenden bereiteten wir uns darauf vor, nach Oben zurückzukehren und den einst begonnenen Kampf zu einem Ende zu bringen. Doch wie es aussah, war Luzifer so besessen von dem Wunsch, den Hirten endlich vom Thron zu stoßen, dass ihm dafür mittlerweile jedes Mittel recht war. Dass er dabei jene Menschen, die er ursprünglich hatte schützen wollen, zu seinen Werkzeugen machte, schien ihm nicht einmal aufzufallen. Himmelarsch, ich war selbst gerade erst dabei, es zu begreifen!
    Luzifer war so sehr von diesem Krieg besessen, dass er darüber alles andere aus den Augen verloren hatte – und nach allem, was ich in der letzten Zeit gehört und gesehenhatte, war es zu spät, um ihn noch zur Vernunft zu bringen. Schon lange sah er in mir nur noch ein weiteres Werkzeug in seiner Sammlung und nicht mehr den Freund, auf dessen Rat er einmal gehört hatte. Luzifer war von seinem Weg abgekommen und das bereits vor langer Zeit.
    Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit – vielleicht zum ersten Mal überhaupt – begann ich zu begreifen, was ich wollte und was nicht. Es war, als würde ich auf einmal erkennen, wer ich wirklich war.
    Ich hatte es satt, ein Verräter zu sein und zwischen allen Stühlen zu sitzen. Ich wollte einen Platz, an den ich gehörte, einen Platz, an dem ich respektiert wurde und an dem man mir vertraute. Ich hatte meine Chance gehabt, doch ich hatte sie verspielt. Bereitwillig hatte ich jeden Versuch Akashiels, mir die Hand zu reichen, abgewehrt. Dabei war er mir in den letzten Monaten ein besserer Freund gewesen als Luzifer während der vergangenen tausend Jahre. Und Jules … sie war einzigartig.

25
    Als ich in mein Zimmer zurückkehrte, wusste ich nicht, was mich dort erwarten würde. Ich wusste nicht, ob Jules noch immer wütend und verletzt sein würde, und auch nicht, welches Verhalten ich von ihr zu erwarten hatte. Oder wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte. Ganz sicher hatte ich nicht damit gerechnet, dass sie in meinem Zimmer auf mich warten würde.
    Sie saß auf dem unbequemen Stuhl neben dem Bett und blätterte in einer der Touristenbroschüren. Als sie mich sah, legte sie das Heft zur Seite und stand auf.
    Ich schloss die Tür hinter mir und blieb mitten im Raum stehen. »Hi.«
    »Hi.« Jules verzog die Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. »Ich hatte recht, als ich sagte, du würdest selbst nicht wissen, was du willst, oder?«
    »Ja, aber ich weiß es jetzt.«
    »Ach ja?« Es klang nicht spöttisch, eher interessiert.
    »Ich will, dass du in Sicherheit bist«, sagte ich und machte einen Schritt auf sie zu. »Ganz gleich, wie sehr du mich verachtest, ich werde dich nicht aus den Augen lassen, bis ich sicher sein kann, dass du nicht länger in Gefahr schwebst. Danach kannst du gehen, wohin immer du gehen willst.«
    »Ich brauche dich nie wiederzusehen?«
    Ich schluckte. »Nein, das brauchst du nicht.«
    Sie kam mir einen Schritt entgegen. »Und wenn ich das gar nicht will?«
    »Warum solltest du das nicht wollen?«
    »Weil ich immer noch etwas in dir sehe, was du selbst nicht zu erkennen scheinst.«
    »Tu das nicht, Jules«, sagte ich. »Versuch nicht, mir einzureden, ich könne etwas sein, was ich nicht bin. Ich mag dir Hoffnung gegeben haben, aber ich bin nicht einmal ein Engel. Sobald die anderen von meinen wirklichen Plänen

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