Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
Vom Netzwerk:
gewesen, was ich gebraucht hatte, um Dinge zu erkennen, für die ich bisher blind gewesen war. Wahrheiten, denen ich mich noch immer nicht wirklich zu stellen wagte. Luzifers Worte mochten wie eine Entschuldigung klingen, doch ich wusste es besser: Der Morgenstern entschuldigte sich nicht. Bei niemandem. Auch wenn es sich tausendmal danach anhören mochte, ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er lediglich versuchte, mich mit seinen Worten einzuwickeln.
    Als ich nicht sofort antwortete, stieß er sich wieder von der Wand ab und kam dicht vor mir zum Stehen. »Nimm dir noch ein paar Tage.« Jede Freundlichkeit war aus seiner Stimme gewichen und hatte einem kalten, beinahe drohendenTonfall Platz gemacht. »Ich erwarte, dass du in dieser Zeit die Sache mit Shandraziel regelst und dann an deinen Platz zurückkehrst.« Einen Platz, daran ließ sein Blick keinen Zweifel, den er, ohne mit der Wimper zu zucken, Shandraziel geben würde, sollte ich ihm unterliegen.
    »Wie du wünschst.«
    Ohne etwas zu erwidern, nickte er mir einmal kurz zu, dann war er verschwunden.
    Mit einem tiefen Seufzer machte ich kehrt und wollte in mein Zimmer zurück.
    »Du bist ein Engel des Teufels!«
    Jules stand im Zugang zum Treppenhaus und starrte mich an. Du meine Güte, wie lange war sie schon hier? Wie viel hatte sie gehört? Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn Luzifer sie bemerkt hätte! Glücklicherweise war ihre Signatur verborgen.
    »Also erst einmal«, versuchte ich die Situation zu entschärfen und kehrte auf ihre Daseinsebene zurück, »heißt der Kerl Luzifer und nicht Teufel. Ganz davon abgesehen lautet die korrekte Bezeichnung für seine Gefolgsleute gefallene Engel – und das bin ich im Übrigen auch nicht mehr.«
    »Was bist du dann?«, fragte sie leise.
    »Ein Schutzengel – und im Augenblick dein Schutzengel.«
    »Willst du mich verarschen? Du glaubst nicht im Ernst, dass ich nach allem, was ich gerade gehört habe, den Fuchs den Hühnerstall bewachen lasse!«
    Der Fuchs im Hühnerstall. Genau das hatte Uriel vermeiden wollen, indem er mich auf der Erde bei den Schutzengeln gelassen hatte, statt mich ins Allerheiligste zu schicken.
    »Ich bin ein zahmer Fuchs«, sagte ich mit einem Schulterzucken.
    Sie schüttelte so langsam den Kopf, als kostete sie die Bewegung unendliche Mühe. »Ich habe an dich geglaubt.« Die Ruhe, mit der sie die Worte aussprach, war schwer zu ertragen. Wenn sie mich angeschrien hätte, hätte ich mir ungerecht behandelt vorkommen oder einfach wütend werden können. So aber sah ich nur, wie sehr ich sie enttäuscht hatte.
    »Du hast mein Vertrauen missbraucht«, fuhr sie fort. »Du bist nichts weiter als ein Verräter, der sich einen Dreck darum schert, was aus mir wird!«
    Sie machte auf dem Absatz kehrt und rannte die Stufen nach oben, zurück ins Zimmer. Ich folgte ihr, doch sie warf mir die Tür vor der Nase zu, sodass ich den Weg durch mein Zimmer und über die Verbindungstür nehmen musste.
    »Am Anfang mag es so gewesen sein, dass du mich nicht interessiert hast«, sagte ich. »Aber jetzt nicht mehr.«
    Ich wollte noch mehr sagen, doch plötzlich wurde mir die Bedeutung dessen bewusst, was ich ihr gerade offenbart hatte. Was als einfache Rechtfertigung gedacht war – eine Ausrede, wie ich sie in meinem Leben schon tausendmal gebraucht hatte –, um sie zu beruhigen, war in Wirklichkeit so viel mehr als das. Es war die Wahrheit. Ich sorgte mich um sie und ich würde nicht zulassen, dass ihr etwas zustieß.
    »Lass mich allein.«
    »Jules.«
    »Geh!«
    »Ich werde nicht gehen, bevor du mir nicht die Gelegenheit gegeben hast, alles zu erklären.«
    »Verschwinde!«, schrie sie. Zum ersten Mal wich die starre Ruhe aus ihren Zügen und machte Platz für ihre Wut und ihre Enttäuschung. Als ich mich weigerte das Zimmer zu verlassen, schob sie mich durch die Verbindungstür nach nebenan und knallte mir die Tür vor der Nase zu.
    »Fein«, sagte ich leise. »Wenn es das ist, was du willst,dann lasse ich dich eben in Ruhe.« Laut genug, damit sie mich auf der anderen Seite der Tür verstehen konnte, fügte ich hinzu: »Wenn du mich brauchst – ich gehe mich jetzt betrinken!« Zumindest würde ich mir alle Mühe geben, so zu tun, als ob.
    Mein erhitztes Gemüt vertrug sich bestens mit der Außentemperatur. Da mir bereits auf dem Parkplatz bewusst wurde, dass mir kein Schnaps der Welt weiterhelfen würde, ging ich an unserem Mietwagen vorbei und folgte dem gepflasterten Weg zu einem

Weitere Kostenlose Bücher