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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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nicht.
    Nichts von den Sachen war für einen Aufenthalt in tropischen Gefilden geeignet, vielmehr sah es so aus, als hätte sie wahllos die ersten Klamotten, die ihr im Schrank unter die Finger gekommen waren, in den Koffer geworfen. So packte man nicht für einen Urlaub, sondern für eine Flucht!
    Ich öffnete das Reißverschlussfach der Kofferklappe in der Hoffnung, dort einen Hinweis darauf zu finden, wasAmber zu einem derart überstürzten Aufbruch gezwungen hatte, doch ich fand nur das Flugticket. Dem Datum nach war es am Abflugtag ausgestellt worden – als hätte sie sich erst am Flughafen für ein Ziel entschieden. Das würde zumindest die unpassenden Klamotten erklären. Was jedoch noch bemerkenswerter war: Es gab kein Rückflugticket.
    »Was ist dein Geheimnis?« Ich drehte mich langsam um die eigene Achse, jeden Winkel des Raumes betrachtend, doch das Einzige, was mir ins Auge stach, war diese auffällige, fast schon klinische Leere.
    Ich musste dringend mit Akashiel sprechen. Vielleicht hatte er eine Erklärung für all das hier. Ich war im Begriff, Kontakt zu ihm aufzunehmen, als ich aus dem Augenwinkel etwas Dunkelgrünes auf dem Boden des Koffers bemerkte. Was auch immer es war, es war von einem so dunklen Grün, dass es sich kaum vom schwarzen Innenfutter des Koffers abhob. Ich schob Ambers Sachen aus dem Weg und zog eine dunkelgrüne Steckhülle heraus. Darin fand ich einen Computerausdruck – eine Tabelle, bei deren Anblick mir kalt wurde.
    Wie zum Henker war Amber an eine Liste der Nephilim gekommen? Darauf waren nicht nur die Namen, sondern auch sämtliche Adressen vermerkt. Heilige Scheiße, die kannte nicht einmal ich! Für die Gefallenen war das ein verflucht wertvolles Stück Papier.
    Spätestens jetzt war ich mir sicher, dass sich Amber tatsächlich auf der Flucht befand. Nur dass ich nicht sicher war, vor wem.
    Ich wusste nicht, wann Amber zurückkehren würde, doch das machte mir nichts aus. Ich war es gewohnt zu warten. Da ich jedoch keine Ahnung hatte, was passieren würde, wenn ich sie mit meiner Entdeckung konfrontierte, wollte ich Jules nicht in der Nähe wissen.
    Ich war schon auf halbem Weg durch das Zimmer, um ihr zu sagen, dass sie zum Motel zurückfahren und dort auf mich warten sollte, als die Tür geöffnet wurde. Gleißender Sonnenschein fiel in einem kantigen Strahl herein und hüllte die Frau auf der Schwelle in helles Licht.
    Ich rieb die Fingerspitzen aneinander, bereit, mein Schwert zu rufen.
    Allmählich gewöhnten sich meine Augen an das Licht, vielleicht wurde es auch einfach nur besser, weil Amber hereinkam, die Tür hinter sich schloss und damit das grelle Licht aussperrte.
    Ihre Augen lagen hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen, und ihre Züge wirkten nahezu regungslos, als hätte sie sich eine Überdosis Botox verpassen lassen. Es war unmöglich zu sagen, ob mein Anblick sie überraschte.
    Ich griff nach der Liste, dass ich sie dabei zerknüllte, interessierte mich nicht, und hielt sie vor ihr in die Höhe. »Was hat das zu bedeuten?«, verlangte ich zu wissen.
    Amber verzog keine Miene. »Was willst du hier?«
    »Was. Bedeutet. Das?« Ich machte einen Schritt auf sie zu und baute mich vor ihr auf. Amber wich nicht zurück. Sie zuckte nicht einmal zusammen. Das war keine Frau, die Schreckliches erlebt hatte und versuchte, das erlittene Trauma zu verarbeiten. Die Person vor mir hatte nicht das Geringste mit der Amber zu tun, die ich noch vor ein paar Tagen vom Dach ihres Hauses aus beobachtet hatte. »Ich höre?«
    Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. »Du hältst dich für so unglaublich klug und gerissen, in Wahrheit aber bist du nichts anderes als ein verliebter Trottel.«
    Es war Ambers Stimme, doch die Worte konnten unmöglich von ihr stammen. Mit einem Ruck riss ich ihr die Brille herunter und blickte in das leere Paar Augen, das dahinterzum Vorschein kam. So leer, wie es auch die Augen von Akashiels Nephilim gewesen waren.
    Seelenlos.
    Das erklärte einiges.
    Ich zweifelte nicht daran, dass es Shandraziel war, der sich im Besitz ihrer Seele befand. Und die Liste erklärte, wie er die Nephilim aufspüren konnte. Was ich nicht verstand, war, warum Amber sich so offenkundig auf der Flucht befand.
    »Du bist wirklich ein Trottel!«
    Es war Ambers Mund, der die Worte formte, doch es war nicht länger ihre Stimme, sondern die ihres Lenkers. Unterlegt mit einem lächerlichen Hall, als wäre sie eine von einem Dämon besessene Protagonistin in einem

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