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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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nicht weichen zu wollen.
    Sicher, er hatte sich Sorgen gemacht. Das war auch vorhin so gewesen, als sie die Tabletten genommen hatte. Vorhin. Wohl eher in einem anderen Leben. Aber jetzt lag die Gefahr hinter ihr. Alles war gut gegangen, sie war wiedergeboren, und vielleicht entwickelte sie schon bald die Fähigkeiten, die sie in die Lage versetzen konnten, ihm zu helfen. Doch all das schien ihn ebenso wenig zu berühren wie ihr Erstaunen und ihre plötzliche Hochstimmung. »Freust du dich denn nicht?«
    Sein Mundwinkel zuckte, der Ansatz eines Lächelns, dem jeder Humor abging. »Du gehörst jetzt ihm.«
    »Meine Seele.« Ihr wurde kalt. Daran hatte sie nicht gedacht, vielleicht auch gar nicht denken wollen. Sie war sodumm gewesen, sich auf den Handel mit Shandraziel einzulassen, statt auf Kyriel zu vertrauen und darauf, dass er Luzifer auch ohne Hilfe entkommen würde. Aber in dem Augenblick, in dem sie ihn im Klammergriff seines einstigen Freundes gesehen hatte, hatte sie einfach nichts anderes tun können, als nach dem Strohhalm zu greifen, der ihn retten konnte.
    Kyriel zog sie fest an sich und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. »Es tut mir leid«, flüsterte er.

31
    Zum wiederholten Mal an diesem Tag hielt ich Jules in meinen Armen. Waren die Umstände schon zuvor nicht gerade glücklich zu nennen gewesen, so fiel mir im Augenblick nur ein Wort ein, um zu beschreiben, wie ich mich fühlte: beschissen!
    Ich war hin- und hergerissen zwischen Entsetzen und Erleichterung. Die bloße Vorstellung, ihr könnte etwas zustoßen, bereitete mir beinahe körperliche Schmerzen. Versetzte mich in einen Zustand der Zerrissenheit. Ich wusste nicht, ob ich mir wünschen sollte, sie nach ihrer Wiedergeburt lebend im Arm halten zu können, auch wenn ich wusste, dass ihre Seele nicht länger ihr gehörte und der Zustand, in dem sie einfach nur die Jules war, die ich kannte, vermutlich nicht lange anhalten würde. Oder ob ich hoffen sollte, dass sie ihre Wiedergeburt nicht überleben und ihr der Verlust ihrer Seele und das Gefühl, eine Gefangene im eigenen Körper zu sein, während alle Handlungen fremdgesteuert wurden, erspart bleiben würde.
    Als sie schließlich die Augen öffnete, war ich erleichtertgewesen. So erleichtert wie nie zuvor in meinem Leben. Aber ich konnte keine Freude darüber empfinden, sondern nur eine tiefe Trauer über das, was sie und ich verloren hatten.
    Was Shandraziel uns genommen hatte.
    Ich wusste nicht, was mich mehr erstaunte: dass es so schmerzte oder dass ich überhaupt in der Lage war, etwas Derartiges zu empfinden.
    Jules hatte ihre Wandlung überstanden und sich schneller erholt, als ich gehofft hatte, doch sie gehörte nicht länger sich selbst.
    Ich sah ihr in die Augen auf der Suche nach etwas, von dem ich wusste, dass ich es dort nicht mehr finden würde. Und tatsächlich: Der Glanz in ihren Augen war erloschen. Ihre Seele spiegelte sich nicht länger in ihrem Blick wider. Sie war noch immer die Frau, die ich kannte und die mir mehr bedeutete als jeder andere Mensch, dem ich je begegnet war, doch sie hatte einen bedeutenden Teil von sich selbst verloren.
    Shandraziel würde sicher nicht lange warten, bis er auf ihre Seele zugriff, und wahrscheinlich würde er sie nicht mehr freigeben, sodass die Jules, die ich kannte, für immer irgendwo tief in sich selbst verloren sein würde.
    Ich musste etwas unternehmen! Das war ich ihr schuldig, immerhin hatte sie ihre Seele meinetwegen verloren. Um mich zu retten. Dummes, wunderbares Mädchen!
    Mir blieben nicht viele Möglichkeiten, und ich entschied mich für die, von der ich mir am ehesten Erfolg versprach: Ich musste noch einmal zu Luzifer.
    Da ich Jules nicht allein lassen wollte und es keinen Ort auf der Welt gab, an dem Shandraziel sie nicht finden würde, konnte ich sie ebenso gut mitnehmen. Luzifer würde ihr nichts antun, denn sie gehörte jetzt ihnen. Der bloße Gedanke,dass auch sie ab sofort Luzifers Befehl unterworfen war, war kaum zu ertragen.
    Ich hatte Jahrtausende auf diese Weise gelebt, doch ich hatte mich aus freien Stücken dafür entschieden, niemals meinen eigenen Willen aufgeben müssen. Zumindest hatte ich es bis vor Kurzem nicht so empfunden. Jules hingegen war von einem Tag auf den anderen unter fremde Herrschaft gezwungen worden. Sie würde Dinge tun müssen, die ihren eigenen Wünschen völlig zuwiderliefen. Dinge, die sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mit ihren eigenen Moralvorstellungen würde vereinbaren

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