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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Angriff nichts weiter als eine Inszenierung. Ein gut durchdachtes Schauspiel, das ihn davor bewahren sollte, als Spion entlarvt zu werden.«
    »Ein sinnloses Unterfangen, wenn man in Betracht zieht, dass wir, von der Menschenfrau einmal abgesehen, allein waren.« Es war eine gewagte Behauptung. Andererseits wusste nur Kyriel, dass es anders gewesen war. Wenn er sich zu Wort meldete, stand Aussage gegen Aussage – und bis es so weit kam, war Shandraziels Plan hoffentlich weit genug fortgeschritten und Kyriel nicht länger glaubhaft. »Du weißt, dass ich nie viel Sympathie für Kyriel hatte, doch dieses Mal ist mein Zorn gerechtfertigt. Wenn sein Angriff ein Schauspiel war, dann hat er vergessen mich einzubeziehen. Oder mich zumindest zu warnen. Für mich sah das nicht danach aus, als würde er nur versuchen seine Tarnung aufrechtzuerhalten. Er hat mich angegriffen .«
    War das ein Funken des Zweifels, der da in den hellen Augen des Morgensterns glomm? Oder war es lediglich ein Lichtreflex gewesen?
    »Ich werde Kyriel bei Gelegenheit nach dem Vorfall fragen. Du kannst jetzt gehen.«
    Auf einen Wink des Morgensterns löste sich die Kuppelauf, die ihr Gespräch vor neugierigen Ohren abgeschirmt hatte. Die Unterhaltung war beendet und Shandraziel entlassen.
    Mit einer Verneigung zog er sich zurück und versetzte sich auf ein Hausdach in der Nähe von Seattle. Auch wenn sich Kyriel nicht als der Verräter entpuppt hatte, für den er ihn halten wollte, war es dennoch besser gelaufen, als er nach der ersten Entwicklung des Gesprächs zu hoffen gewagt hatte.
    Der Grundstein war gelegt, das Misstrauen des Morgensterns würde wachsen, und Shandraziel hatte noch einen weiteren Trumpf im Ärmel. Er würde seinem Herrn die Seele der Nephilim zu Füßen legen. Ein wertvolleres Geschenk gab es nicht. Die meisten Nephilim entwickelten nach ihrer Wiedergeburt besondere Fähigkeiten – Fähigkeiten, die ihnen bei ihrer Sache eine wertvolle Hilfe sein konnten. Das würde ihm mehr als nur ein paar Bonuspunkte einbringen.
    Solange er ihre Seele noch nicht hatte, nahm er sich jedoch vor, Stillschweigen zu bewahren. Er wusste, wie ungeduldig der Morgenstern werden konnte, wenn sich die gewünschten Ergebnisse nicht schnell genug einstellten. Dann würde er beginnen, ihn unter Druck zu setzen, und darüber womöglich aus den Augen verlieren, dass die Seele ein Geschenk war und kein Auftrag, den er erteilt hatte. Shandraziel wollte keinen Druck – er wollte Dankbarkeit. Und er würde sie bekommen und zwar tausendfach, denn er hatte nicht vor, es bei dieser einen Seele zu belassen.
    Er hatte auch schon eine Idee, bevor er jedoch mit dem Morgenstern darüber sprechen konnte, musste er herausfinden, ob sich sein Vorhaben auch umsetzen ließ.
    Sein Blick fiel auf das Haus unter ihm, aus dessen Fenstern selbst zu dieser späten Stunde noch Licht auf den Rasenfiel. Hier würde er finden, wonach er suchte. »Ich werde dich zerstören, Kyriel Seelenfänger.«

9
    Mir wurde erst bewusst, wie lange ich für meinen Entschluss gebraucht hatte, dem Kurzen zu folgen, als ich seiner Signatur nachspürte und mich zu ihm versetzte. Ich hatte damit gerechnet, ihn dabei anzutreffen, wie er mit schnellen, zornigen Schritten durch die Stadt marschierte, gegen Mülleimer trat und streunende Katzen beschimpfte. Stattdessen lag er in einem schmalen Bett, an dessen Fußende ich mich wiederfand, das kleine Zimmer lediglich vom schwachen Schein einer Nachttischlampe erleuchtet, die schon bessere Tage gesehen hatte.
    Ich wartete darauf, dass er aufspringen und mich angreifen oder zumindest anschreien oder um Hilfe rufen würde, weshalb ich eine Stille über den Raum legte, die jede Art von Lärm innerhalb dieses Zimmers halten würde.
    Jules bemerkte mich nicht. Er hatte die Augen geschlossen, und wenn ich es nicht darauf anlegte, waren meine Bewegungen so leise wie ein Windhauch – für einen Menschen unmöglich wahrzunehmen. Im Augenblick jedoch wollte ich genau das: wahrgenommen werden. Ich räusperte mich und machte mich auf die Reaktion des Jungen gefasst.
    Doch der Kurze rührte sich nicht.
    Erst jetzt bemerkte ich die Stöpsel in seinen Ohren. Hätte ich die weißen Kabel nicht gesehen, wären mir die Kopfhörer nicht aufgefallen. Die leise Musik, die den Raum erfüllte, hätte mir mit meinen geschärften Engelssinnen allerdings durchaus auffallen müssen. Ich konnte beinahehören, wie Akashiel mir zuraunte, ich solle mich gefälligst konzentrieren. Nun sah

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