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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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stand. Es war ein aggressiver Laut, unter den sich ein rüpelhaftes Hey, du! mischte. Hinter den Gitterstäben standen zwei Ratten auf den Hinterbeinen, das Fell gesträubt, die winzigen Vorderpfoten drohend in die Luft erhoben wie kleine Boxer. Boxer, die jeden Moment explodieren würden, so wie sie sich aufplusterten.
    Grinsend trat ich näher heran. Die eine Ratte war komplett weiß, während die andere graubraunes Fell und einen helleren Bauch hatte, den sie mir nun kampflustig entgegenreckte.
    Hör mal, du Vogel , sagte das graubraune Knäuel so undeutlich, dass ich Mühe hatte, es zu verstehen. Das hier ist unser Revier! Also, mach dich bloß vom … vom … Dings.
    Acker! , half der weiße Scheißer aus und klang dabei nicht verständlicher als sein pöbelnder Kumpel. Er kam ein Stück auf die Gitterstäbe zu, baute sich aber sofort wieder in seinerKampfpose auf. Entschuldigen Sie diesen Pöbel, ihm mangelt es oft an der passenden Ausdrucksweise.
    Wasch scholl ’n dasch heischen? , beklagte sich der als Pöbel Titulierte und klang noch undeutlicher als vorhin, nachdem er sich auf dem Weg zum Gitter die Backen mit Trockenfutter vollgestopft hatte. Beim Sprechen flogen ihm ein paar Körner aus der Schnauze und blieben im Fell seines weißen Gesellen hängen, was diesen sofort dazu veranlasste, sich zu putzen. Gleichzeitig versuchte er seine drohende Haltung nicht gänzlich aufzugeben, was ihn bedenklich ins Wanken brachte.
    Was dieses Straßenvieh zu sagen versucht , fuhr die weiße Ratte fort und rieb sich noch einmal mit der Pfote über Ohr und Schnauze, ehe sie endgültig wieder ihre Angriffshaltung einnahm, ist, dass Sie hier nichts zu suchen haben.
    Verpischen scholl er schich. Das graubraune Vieh hatte den Körnern noch ein Stück Karotte hinterhergeschoben, sodass nun bei jedem Wort orange Flocken durch die Luft sprühten. Und wenn er Schulsch etwasch antut, gibtsch rischtisch Ärger!
    Wankend machte er einen Schritt nach vorne, die Pfoten drohend erhoben, und stieß ein schrilles Fiepen aus.
    »Sperrt mal die Lauscher auf, ihr tapferen Ritter, ich habe nicht vor, eurer Jules etwas anzutun, also macht euch mal nicht ins Fell.«
    Die Antwort bestand in einem Fauchen. Das Fell gesträubt, die Pfoten angriffslustig erhoben, rückten sie vor. Nach zwei Tippelschritten gerieten sie ins Wanken und kippten kopfüber ins Stroh. Ich wartete darauf, dass sie sich wieder aufrichteten, stattdessen hörte ich sie ein paar Sekunden später leise schnarchen.
    Es war Zeit, meinen Auftrag zu erledigen und dann zu verschwinden. Um die Hysterie auf ein Minimum zu begrenzen,entschied ich mich nun doch dafür, ihr die Sache lieber schonend beizubringen.
    Immer noch grinsend wandte ich mich wieder dem Bett zu und rüttelte Jules am Fuß. Nicht fest, aber fest genug, um sie aufzuschrecken.
    Mit einem unterdrückten Schrei sprang sie auf, die Kopfhörer fielen aus ihren Ohren auf das Bett. I don’t care what you think as long as it’s about me , schmetterten Fall Out Boy jetzt deutlich vernehmbar durch den Raum. Da meine Stille jedes Geräusch noch immer innerhalb dieser Wände hielt, machte ich mir darüber jedoch keine Sorgen. Ganz anders sah es da mit ihrem Trommelfell aus.
    »Meine Güte, es grenzt an ein Wunder, dass du noch nicht taub bist.« Ihrem Gesichtsausdruck nach zu schließen waren das nicht die idealen Worte, um ein Gespräch einzuleiten. Deshalb fügte ich hinzu: »Immerhin ist die Musik nicht schlecht.«
    Ihr war anzurechnen, dass sie weder um Hilfe schrie noch hysterisch zu kreischen begann (vermutlich würde das noch kommen). Stattdessen war sie am Kopfende des Bettes zum Stehen gekommen und starrte mich aus großen Augen an. Ihre Brust hob und senkte sich unter heftigen Atemzügen, als hätte sie den Rekord im Hundertmetersprint gebrochen, und ihr Herz hämmerte so stark, dass ich es selbst aus zwei Metern Entfernung noch hören konnte. Wenn sie sich nicht rasch beruhigte, würde sie schneller sterben und wiedergeboren werden, als ich »Du bist eine Nephilim« sagen konnte.
    Zum Zeichen meiner guten Absichten hob ich beschwichtigend die Hände. »Keine Angst, ich tu dir nichts.«
    »Keine Angst?«, schnappte sie und zog sich noch ein Stück weiter zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß. »Hast du sie noch alle? Verschwinde auf der Stelle aus meinem Zimmer!« Nach kurzer Pause fügte siehinzu: »Und außerdem aus der Wohnung und aus meinem Leben!«
    Zumindest erklärte ihr Auftreten, woher

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