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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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erst jetzt, dass sie die Luft angehalten hatte. Sie stieß den Atem aus und versuchte ihre zitternden Hände zu beruhigen, indem sie die Finger in die Jackentaschen schob und zu Fäusten ballte.
    Ihren Plan, einen Kaffee zu trinken und in Ruhe über alles nachzudenken, konnte sie vergessen. Shandraziels Auftauchen hatte alles verändert. Sie musste Kyriel erzählen, was geschehen war. Womöglich musste sie ihn sogar um Schutz bitten.
    Mit weichen Knien setzte sie ihren Weg fort. Als sie die Pine Street erreichte, begann es zu regnen, ein kalter Nieselregen, den ihr der Wind ins Gesicht trieb. Mit jedem Schritt wurde sie schneller. Wann immer sie Stimmen hinter sich hörte, zuckte sie zusammen, wenn sie sich jedoch umsah, blickte sie in die Gesichter harmloser Leute, die lachend und miteinander redend die Straße entlangzogen, indie Auslagen blickten oder einfach nur auf dem Weg nach Hause, in eine Bar oder ein Restaurant waren. Bis zur Bushaltestelle war es nicht mehr weit und mit dem Bus wäre sie in weniger als einer halben Stunde bei Kyriel. Hoffentlich wusste er einen Weg, wie sie Shandraziel ein für alle Mal loswerden konnte.
    Was, wenn es keinen Weg gab außer einem sehr endgültigen, an den sie nicht einmal denken wollte? Bemüht, die Frage aus dem Kopf zu bekommen, trat sie an den Straßenrand und blieb stehen, um den vorüberziehenden Verkehr passieren zu lassen. Vielleicht war es auch gar nicht nötig, etwas gegen Shandraziel zu unternehmen, denn ohne ihr Einverständnis konnte er nichts tun. Er würde ihr vielleicht für einige Zeit wie ein lästiger Vertreter folgen, der versuchte sein Geschäft zum Abschluss zu bringen; wenn er jedoch begriff, dass sie nicht vorhatte, darauf einzugehen, würde er sie früher oder später in Ruhe lassen.
    Nur noch ein paar Autos, dann käme eine Lücke, die groß genug war, damit sie die Straße überqueren konnte. Jules wischte sich den Regen aus dem Gesicht und wartete, als ihr jemand einen Stoß in den Rücken versetzte. Sie stolperte über die Bordsteinkante auf die Straße und fiel auf die Knie. Eine Hupe ertönte, Reifen quietschten, weitere Hupen folgten, als der Wagen, der auf sie zugerast kam, in den Gegenverkehr auswich.
    Jules wurde gepackt und auf den Gehweg zurückgerissen. Als sie sich umdrehte, um sich bei ihrem Retter zu bedanken, nahm sie als Erstes seinen Pfefferminzatem wahr.
    »Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn er nicht mehr hätte ausweichen können«, sagte Shandraziel. »Du bringst die Menschen um dich herum wirklich in Gefahr. Der Kerl wäre beinahe in einen entgegenkommenden Mülllaster gekracht.«
    Du bringst die Menschen um dich herum wirklich in Gefahr. Seine Worte setzten sich in ihrem Ohr fest wie Kaugummi unter der Schuhsohle. Wollte er sie auf diese Weise dazu bewegen, den Pakt einzugehen? Indem er ihr damit drohte, anderen etwas anzutun, wenn sie sich weigerte?
    »Ist deine Mutter auch so sorglos?«
    Seine Worte ließen ihr das Blut in den Adern gefrieren. »Lass sie da raus!«
    »Das würde ich gerne, aber ich fürchte, es ist der einzige Weg, dich zur Vernunft zu bringen.« Er strich ihr über die Wange. Es war die zärtliche Geste eines Liebhabers gepaart mit der Bedrohlichkeit eines Mörders. »Du musst nur einwilligen, dann seid ihr in Sicherheit.«
    »Niemals!« Sie riss sich los, fuhr auf dem Absatz herum und rannte die Straße entlang. Shandraziels Lachen übertönte den Regen und folgte ihr im Takt ihrer immer schneller über den Asphalt hämmernden Schritte. Kyriel würde ihr helfen! Er würde dafür sorgen, dass ihrer Mutter nichts zustieß.
    Sie war noch nicht weit gekommen, als jemand sie am Arm packte und in eine Seitengasse zerrte. Ein Messer blitzte auf und einen Atemzug später spürte sie die kalte Klinge an ihrer Kehle. Jules blinzelte und versuchte ihre Umgebung zu erkennen, ihre Augen gewöhnten sich jedoch nur langsam an die Dunkelheit abseits der Straßenlaternen. Dieses Mal roch der Atem ihres Gegenübers nicht nach Pfefferminz, sondern nach einer Mischung aus Bier und Knoblauch. Er trug eine schwarze Skimaske, die in starkem Kontrast zum Weiß in seinen Augen stand.
    »Gib mir dein Geld!«, verlangte er mit rauer Stimme und drückte ihr das Messer gegen die Kehle.
    Den größten Teil des Geldes, das Kyriel ihr gegeben hatte, hatte sie auf ihr Konto eingezahlt, einen weiteren Teilhatte sie für die nächste Miete zu Hause behalten. In ihrem Geldbeutel befanden sich nicht einmal mehr zehn Dollar. Wenn er

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