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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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und einen kräftigen Schluck nahm. »Nur weil wir gemeinsam dorthin fahren und meine Mutter dich toll findet, bedeutet das nicht, dass ich mit dir ins Bett gehen werde.«
    Ihre unverblümten Worte trafen mich so überraschend, dass ich mich verschluckte und das Wasser um ein Haar durch die Nase wieder ausgeatmet hätte. »Das ist eine Geschäftsreise«, brachte ich, den Hustenreiz unterdrückend, hervor. »Ich habe nicht vor, dich flachzulegen.« Zumindest behauptete ich das. In Wahrheit spekulierte ich durchaus darauf, dass ich in Florida Gelegenheit dazu bekommen würde. Warum sollte ich mir die Möglichkeit entgehen lassen, wenn sie sich mir bot? Wenn ich es mit einer Nephilim trieb, konnten mir selbst die Schutzengel nichts anhaben. Sie war immerhin kein Mensch.
    Jules schluckte meine Antwort nicht. Sie sah mich mit dieser seltsam in die Höhe gezogenen Augenbraue an. »Ich weiß, was Männer und ihre Sekretärinnen häufig auf Geschäftsreisen tun.«
    Sekretärin? Ich musste mir das Lachen verkneifen. »Dannhast du dich also entschieden, für die Schutzengel zu arbeiten?«
    Sie blieb mir die Antwort schuldig, denn in diesem Moment kam unser Taxi. Erst auf dem Weg zum Flughafen nahm ich das Gespräch wieder auf. »Was die Sache mit dem Ins-Bett-Gehen angeht, wirst du feststellen, dass es schwer ist, mir zu widerstehen.«
    Jules musterte mich unverhohlen von oben bis unten. »Ist Eitelkeit bei euch keine Sünde?«
    »Sünde ist ein dehnbarer Begriff«, gab ich zurück.
    Sie zuckte die Schultern. »Du wirst feststellen, dass meine Selbstdisziplin dem, was du an Charme dein Eigen nennst, durchaus gewachsen ist.«

20
    Am Flughafen angekommen überzeugte ich die Frau am Schalter mit einem kurzen Griff in ihren Geist davon, dass für uns Tickets hinterlegt waren. Wir checkten Jules’ Tasche ein und machten uns mit unseren Bordkarten auf den Weg zum Abfluggate.
    Ich mochte keine Flughäfen. Es war laut und hektisch und es stank nach Essen und muffiger Klimaanlage. Wie konnte man so einen Ort mögen? Ganz besonders wenn man wusste, dass es danach nicht besser wurde, weil man sich in einen viel zu engen Blechvogel quetschen musste, dessen Flugtauglichkeit bestenfalls als zweifelhaft eingestuft werden konnte. Mein einziger Trost war, dass wir nur auf dem Hinweg in einen dieser fliegenden Seelenverkäufer steigen mussten. Zurück konnte ich mich einfach versetzen.
    »Warum hast du keine Tasche dabei?«, fragte Jules.
    »Wozu? Ich muss nichts weiter tun, als mich kurz nach Hause zu versetzen, meinen Kleiderschrank zu plündern und wieder an den Ursprungsort zurückzukehren.«
    Sie schnalzte mit der Zunge. »Das ist mit Abstand die praktischste Art zu verreisen, die ich kenne.«
    Ich bezweifelte, dass sie überhaupt viele Arten des Verreisens kannte. Ihre Mutter hatte recht gehabt, es würde ihr guttun, einmal rauszukommen und ein paar Tage abzuschalten. Von meinen eigenen Gedanken erstaunt hielt ich in der Schlange zur Sicherheitskontrolle inne. Seit wann interessierte mich, wie es einem Menschen ging – oder einer Nephilim? Offensichtlich befand ich mich schon viel zu lange im Dunstkreis der Schutzengel. Diese verdammten Kerle färbten schlimmer ab als jede neue Jeans.
    Als wir endlich im Flieger saßen, überließ ich Jules den Fensterplatz, zog die Karte mit den Notausgängen aus der Sitztasche und konzentrierte mich darauf. Ich wollte nicht länger über Jules nachdenken und auch nicht darüber, welchen Einfluss sie oder die Schutzengel auf mich hatten. Und vor allem wollte ich den Start nicht mitbekommen. Nur leider ließ sich so ein Start schwer ignorieren. Als der Pilot seine Kiste beschleunigte und wir immer schneller über den Asphalt rasten – Asphalt! Jedes verdammte Schlagloch könnte uns aus der Bahn werfen und den Flieger in einen gleißenden Feuerball verwandeln! –, klammerten sich meine Finger um die Armlehnen, bis die Knöchel weiß hervortraten.
    Wir waren noch nicht lange in der Luft, die Saftschubsen hatten gerade die ersten Getränke ausgeteilt, als Jules ihren Blick auf mich richtete. Ich wartete auf eine spöttische Bemerkung, vielleicht auch auf Mitleid, stattdessen ging sie gar nicht auf meine verkrampfte Haltung ein.
    »Du bist keine Gesellschaft gewohnt, nicht wahr?«
    Was sollte ich darauf erwidern? Bei jedem anderen, der mir so eine Frage stellte, hätte »Kümmere dich um deinen eigenen Kram« sicher ganz oben auf der Liste der möglichen Antworten rangiert. Aus irgendeinem Grund brachte

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