Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
Vom Netzwerk:
die Tatsache, dass es nicht funktionieren würde. »In dreißig Sekunden wird es hier nur so vor Menschen wimmeln, und die Gefallenen brauchen nichts weiter zu tun, als vor den Ausgängen zu warten und sich jeden anzusehen, der herauskommt!«
    Schon jetzt war zu hören, wie die Zimmer und Gänge zum Leben erwachten. Türen klappten, Stimmen wurden laut, gefolgt von Schritten.
    »Wer sagt, dass wir das Hotel verlassen?«
    Das war allerdings brillant!
    Bis wir den achten Stock erreichten, begann sich das Treppenhaus mit immer mehr Menschen zu füllen, die aufgeregt durcheinanderredeten, sich gegenseitig zu beruhigen versuchten oder sich einfach nur an anderen vorbei nach unten drängten. Wir reihten uns in den wachsenden Strom ein und folgten ihm bis zum Erdgeschoss. Während die Menschen von dort aus in die Lobby und nach draußen strömten, liefen wir weiter nach unten in den Keller. Ich spielte mit dem Gedanken, den Wagen zu nehmen und zwischen Shandraziel und seinen Leuten durchzubrechen, sofern sie uns draußen auflauern wollten. So wie es jedoch mittlerweile auf den Gängen und sicherlich auch auf dem Gelände um das Hotel herum zuging, würden uns die Menschen zu sehr verlangsamen, womöglich sogar ein Durchkommen mit dem Wagen unmöglich machen. Egal wie ich es drehte und wendete, Jules’ Idee, im Hotel zu bleiben, war die beste Lösung. Sofern wir ein Versteck fanden, denn so viel war sicher: Sobald sie begriffen, dass wir uns nicht unter den Flüchtenden befanden, würden sie zurückkehren und hier alles auf den Kopf stellen.
    Das Beste würde sein, wenn wir im Keller abwarteten, bis der Flüchtlingsstrom abebbte, und uns dann Zugang zu einem der Zimmer verschafften. Vom Balkon aus konnten wir mühelos davonfliegen. Dann jedoch fiel mir auf, dass ich nirgendwo einen Balkon gesehen hatte, und zumindest in meinem Zimmer ließen sich die Fenster nicht öffnen. Üblicher Hochhausstandard, um die Zahl der Selbstmörder, die sich aus den Fenstern stürzten, gering zu halten.
    Im Untergeschoss angekommen verließen wir das Treppenhaus und folgten einem von Neonröhren erleuchteten Versorgungsgang.
    »Wir müssen irgendwie nach draußen«, sagte ich zu Jules. »Sobald der größte Strom abgeebbt ist, suchen wir uns einen weniger frequentierten Ausgang. Wir verschwinden hinter ein paar Büsche und fliegen davon.«
    »Kannst du mich denn auch unsichtbar machen?«
    Verflucht! Das konnte ich nicht. Nicht, solange sie noch in ihrer menschlichen Form war. Wäre sie bereits wiedergeboren, wäre es kein Problem gewesen. Es wäre mir egal gewesen, wenn einer der herumstehenden Menschen gesehen hätte, wie sie durch die Luft flog. Das war nun wirklich meine geringste Sorge. Das Problem war, dass Menschen so etwas nicht für sich behalten konnten. Sie würden raunen und in den Himmel deuten und auf diese Weise Shandraziel auf uns aufmerksam machen. Es würde ihm nicht leichtfallen, uns zu verfolgen, solange wir in der Luft waren, aber er würde es versuchen, und wer weiß schon, was für Sauereien er – von blockierten Dachzugängen einmal abgesehen – sonst noch auf Lager hatte. Ich traute ihm jedenfalls so einiges zu.
    Mit einem Menschen konnte ich nicht so hoch fliegen wie gewöhnlich. Die Kälte und noch mehr der Sauerstoffmangel würden Jules schaden. Auf niedriger Flughöhe jedochkonnte ein gezielter Eisstrahl bereits genügen, um uns herunterzuholen.
    Jules schien mein Schweigen als Antwort zu genügen. »Lass uns ein Versteck suchen.«
    Wir stießen eine Tür nach der anderen auf, vor uns eröffneten sich unzählige Lagerräume für Stühle, Wäsche, Geschirr und alle denkbaren und undenkbaren anderen Dinge, eine Wäscherei, ein Aufenthaltsraum für das Personal, der Technikkeller, eine Küche, in der vermutlich abseits der Restaurantküche diverse Caterings vorbereitet wurden, und mehrere große Vorratskammern und Kühlräume.
    In einem der Vorratsräume entdeckten wir zwischen endlosen Regalreihen voller Dosen, Packungen und Getränken eine Stahltür. Eine weitere Kühlkammer, wie wir bereits mehrere gesehen hatten, doch diese hier sah anders aus. Die Tür war älter, das Metall matt und zerkratzt, es gab kein Fenster, das einem den Blick ins Innere gestattet hätte, und auch keine Anzeige für Temperatur und Luftfeuchtigkeit, wie wir sie an den anderen Türen gesehen hatten. Dieses Ding stach unter seinen Hightechkollegen so deutlich heraus wie ein Stinktier in einer Parfümerie.
    »Komm weiter«, drängte

Weitere Kostenlose Bücher