Seelenglanz
Stock hinter uns. Hier oben war es dunkler, lediglich eine schummrige Notbeleuchtung und ein weiß leuchtendes Schild mit der roten Aufschrift EXIT wiesen uns den Weg.
Ich erreichte die Tür vor Jules, drückte die Klinke und warf mich dagegen, um sie aufzustoßen. Und wurde zurückgeschleudert. Die Tür war nicht verschlossen – verflucht, Notausgänge durften überhaupt nicht verschlossen sein! –, wurde aber von etwas auf der anderen Seite blockiert. Mir war sofort klar, dass Shandraziel vorausgeahnt hatte, welchen Weg ich wählen würde. Zur Hölle, dieser Penner kannte mich einfach zu gut!
Die verdammte Tür war aus Stahl und die Wände waren aus Stahlbeton, sodass ich auch nicht einfach hindurchmarschieren, das Hindernis entfernen und die Tür für Jules öffnen konnte.
So viel zu meinem Plan.
Das Dach war gestorben!
Ich machte kehrt und riss Jules so heftig herum, dass sie ins Stolpern geriet. Sie fing sich beinahe sofort wieder und folgte mir die Treppen nach unten, zurück zur zwölften Etage. Shandraziel und seine Leute waren nicht mehr weit entfernt. Nach dem, was ich erkennen konnte, trennte sie lediglich ein Stockwerk von uns.
Im zwölften Stock angekommen stürzten wir aus dem Treppenhaus hinaus auf den langen Hotelflur. Dicke Teppiche dämpften unsere Schritte.
»Mittlerweile müsste doch jemand den Sicherheitsdienst oder die Polizei gerufen haben«, rief Jules, als wir den Gang entlanghetzten.
»Wenn, dann nur, weil wir beide zu viel Lärm veranstalten.«
»Du meinst …«
Ich nickte. Shandraziel und seine Leute waren für Menschen unsichtbar. Jules und ich waren die Einzigen, die gehört oder gesehen werden konnten. Ich hätte mich ebenfalls unsichtbar machen können, doch solange ich den Trick nicht auch bei Jules anwenden konnte, war es sinnlos.
»Warum versetzen wir uns nicht einfach?«
»Dazu müsste ich meine Signatur öffnen.« Ich beschleunigte meinen Schritt und trieb Jules weiter an. »Shandraziel könnte sich dranhängen und dann an derselben Stelle auftauchen, an der wir landen.« Wenn wir Pech hätten, würde er sich in meinem Rücken manifestieren oder unmittelbar vor Jules. Der genaue Ort der Landung ließ sich nicht bestimmen, wenn man einer Signatur auf diese Weise folgte. Ich scheute nicht vor einem Kampf mit ihm zurück, aber das Risiko, dass er Jules erwischte, wollte ich nicht eingehen.
Wir rannten den Gang entlang, vorbei an einer Flucht von Zimmertüren und mehreren Abzweigungen. Mein Ziel war das Treppenhaus auf der anderen Seite des langen Baus.Ich zweifelte nicht daran, dass uns der Weg aufs Dach auch hier abgeschnitten war. In der Hoffnung, einen Weg nach draußen zu finden, wollte ich erst einmal so viel Abstand wie möglich zwischen Shandraziel und uns bringen. Vielleicht gelang es uns sogar, ihn in den langen, teilweise verwinkelten Gängen abzuhängen.
Im Augenblick sah es jedoch nicht danach aus. Unsere Verfolger hatten das Treppenhaus mittlerweile ebenfalls hinter sich gelassen. Ich konnte Shandraziel nicht sehen, aber seine Stimme folgte uns wie ein aufdringlicher Verehrer durch den Gang. Ich scheuchte Jules weiter vor mir her. Sie hatte meine Hand losgelassen und rannte auf das andere Ende des Ganges zu, als die Tür zum Treppenhaus geöffnet wurde und ein Gefallener heraustrat.
Jules bremste ab. »Was jetzt?«
»Wir müssen an ihm vorbei! Bleib dicht hinter mir!« Ich spurtete an ihr vorbei auf den Gefallenen zu. Als er nur noch einen Meter von mir entfernt war, drehte ich mich zur Seite. Einen Herzschlag später prallte ich mit der Schulter gegen ihn. Der Aufprall riss mir den Atem aus der Lunge und warf meinen Gegner zu Boden. Sofort setzte ich nach, verpasste ihm einen kräftigen Tritt vor die Brust, der ihn zwar nicht ausschaltete, uns aber wertvolle Sekunden verschaffte, in denen er mit der Benommenheit zu ringen hatte.
Mit Schwung stieß ich die Tür zum Treppenhaus auf und sah mich nach Jules um. Sie war langsamer geworden.
»Schnell!«, peitschte ich sie an. »Beeil dich!«
Ich war bereits halb über die Schwelle, darum konnte ich nicht sehen, worauf ihr Blick gerichtet war. Als sie jedoch mit der Faust ausholte und ich das Knacken von Glas und kurz darauf das Schrillen des Feueralarms hörte, hatte ich meine Antwort.
Jules fuhr herum und folgte mir ins Treppenhaus.
»Bist du übergeschnappt?« An der Idee, den Alarm auszulösen und uns in den Menschenstrom einzureihen, der das Hotel verließ, war an sich nichts auszusetzen. Bis auf
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