SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
weggetreten. Rovens Bestie hatte sich über seinem Herzen zusammengerollt, als hätte sie ihren Platz im Leben verloren, als würde sie fortan nur noch schlafen.
Warum nur hatte der Taryk Selenes Körper mit sich nehmen müssen? Nicht einmal ein Abschied würde Roven gegönnt sein.
Übrig blieben sechs Akkadier, im Leid des einen in ihrer Mitte vereint.
Ju hob seinen Bruder hoch in die Arme und sah ein letztes Mal auf die Stelle, an der Diriri gestorben war.
Die Wut war verschwunden.
Der Schmerz blieb.
Roven stand in einem Wald. Er trug einen dunkelblauen Anzug. Für sie. Das wusste er. Sie musste hier sein. Er war ihr in den Tod gefolgt.
Die Umgebung zeigte sich in den Farben Enûmas . Der Himmel.
Roven würde sie finden. Dann hätte er sie wieder, für den Rest der Ewigkeit.
Der Akkadier stürmte los, rannte durch das Dickicht der rotgoldenen Bäume, auf lindgrünem Gras entlang. Er wurde schneller. Musste sie finden. Roven bog nach rechts auf einen Pfad und lief unbeirrt weiter. Obwohl es hell war, prangte der Mond am Himmel und wies ihm die Richtung.
Er näherte sich, konnte sie fühlen.
Avenstone lag genau vor ihm. Warum Avenstone?
Egal! Wo auch immer er sich befand, spielte keine Rolle. Wichtig war nur sie.
Roven überwand die letzten Meter zum großen Tor, sprintete die Stufen hoch und stieß es auf. Ihr Duft wehte ihm entgegen.
„Selene!“
Seine Stimme versagte.
Er versuchte, die Treppe hinaufzurennen. Doch aus irgendeinem Grund gelang es nicht.
War er zu schwach?
So schwach, dass er sie nicht hatte retten können … Eine panische Erinnerung holte ihn ein, die Erinnerung an ihren Tod und an sein Versagen.
Aus der ersten Etage der Burg brach ein goldener Blutschwall hinab und flutete die Halle. Roven verwurzelte an Ort und Stelle.
„Nein! Selene!“
Das Gold strömte über ihn hinweg, drang an seine Lippen und füllte den Mund. Er schluckte zwangsläufig. Wie aus einem Becher ergoss es sich in Rovens Kehle und weckte seine Lebensgeister.
Haut presste sich gegen die Lippen.
Akkadisches Blut.
Das war es, was er schmeckte.
Rovens Augen wurden geblendet.
Sein Körper summte wie wahnsinnig.
Die Bestie wurde gegen ihren Willen geweckt.
Sie wollte schlafen.
Er wollte sterben.
Doch er war nicht tot.
Schwarze Augen nahm er als erstes wahr. Er hasste Ju dafür und stieß ihn von sich, als er die Kraft dazu fand. Roven spuckte das Blut in seinem Mund aus und brüllte ihn an. Er wusste nicht genau, was er sagte. Er wusste nur, dass er schrie.
Er machte Ju dafür verantwortlich, seine Liebe verloren zu haben, weil er ihn nicht sterben ließ. Roven war kurz davor, sich auf ihn zu stürzen.
Der Tibeter verließ das Zimmer.
Doch Roven brüllte weiter. Er zertrümmerte alles, was ihm in die Klauen fiel. Die Bestie in seinem Inneren jaulte. Er zermalmte die gesamte Einrichtung zu Staub und rief nach seiner Gefährtin, bis ihm die Stimme versagte.
Und die Stille zurückkehrte.
Und der Schmerz.
Seine Brust zog sich zusammen. Er schrie, obwohl er keinen Ton mehr herausbrachte. Seine Knie gaben nach und ließen ihn zu Boden sinken. Das Leid war zu groß. Er griff an seine Brust, doch sein Herz krampfte immer weiter.
Selene war tot. Und er war ihr nicht gefolgt.
In seinem Kopf setzte etwas aus. Sein Verstand schaltete sich ab. Es betäubte den Schmerz.
Besser.
Er musste nur weiter auf die Erinnerung starren. Dann konnte er den Schmerz eindämmen.
Roven sah seine Hände zucken. Doch sein Kopf bewegte sich nicht mehr. Er betrachtete ihr Bild und hielt es fest.
Und Ruhe kehrte in sein Herz, bis es kaum noch schlug.
Die Bestie legte sich schlafen.
Er musste nur weiter auf die Erinnerung starren – auf ihr lächelndes Gesicht, wenn sie ihm sagte, dass sie ihn liebte.
Stunden später meditierte der Tibeter noch immer.
Er wollte den Schmerz beseitigen, ertrug ihn nicht länger. Er gehörte nicht in seinen Körper und Ju weigerte sich, ihn zu akzeptieren. Dieses Leid durfte er nicht an sich heranlassen.
Jahrhunderte!
Bei Annelha!
Jahrhunderte hatte er es ohne geschafft. Doch jetzt drohte alles zu kippen.
Das Leid zermarterte Jus Hirn und störte seine Konzentration. Es schwächte ihn, jetzt, wo die Akkadier einen Anführer brauchten. Alle Unsterblichen auf Avenstone erlitten Rovens Qualen. Die Bestien hatten sich zurückgezogen, um dem Leid zu entgehen, das jeden Körper heimsuchte.
Der Tibeter konnte sein Tier nicht erreichen. Die Meditation war zwecklos.
Und Rovens Schreie wurden
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