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Seelengrab (German Edition)

Seelengrab (German Edition)

Titel: Seelengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Buranaseda
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Tage dauern können, bis die Leiche entdeckt worden wäre.“
    Hirschfeld nickte. Er hatte bereits Fälle erlebt, in denen der leblose Körper eines Menschen zwar immer wieder in den Stromschnellen gesichtet wurde, jedoch noch tagelang im Wasser trieb, bis er von der Wasserschutzpolizei geborgen werden konnte. Plötzlich ragten zwei lange Beine in einem weißen Overall neben ihnen auf.
    „Kirchhoff“, sagte eine Stimme, „da bist du ja. Ich wollte schon eine Vermisstenanzeige aufgeben.“
    Kirchhoff und Hirschfeld blickten auf. Neben ihnen stand ein hochgewachsener Mann, der seinen Mundschutz vors Kinn gezogen hatte. Er hatte einen Dreitagebart und ausgeprägte Labialfalten, die ihn älter erscheinen ließen, als er vermutlich war. Seine Haarfarbe war aufgrund des Schutzanzuges nicht zu erkennen. Die Augenbrauen und Wimpern waren jedoch außergewöhnlich hell, sodass sicher keine schwarze Mähne unter der Kapuze zum Vorschein kommen würde.
    „Hallo, Jens“, erwiderte Kirchhoff.
    Hirschfeld bemerkte sofort, dass die Gesichtszüge seines neuen Partners sich seit ihrer Begegnung zum ersten Mal in dieser Nacht entspannten. Wer auch immer sich zu ihnen gesellt hatte: Kirchhoff schenkte ihm die Andeutung eines Lächelns, was angesichts der Melancholie, die er mit jeder Pore verströmte, an Euphorie grenzte.
    „Du musst Lutz sein“, wandte sich der Hüne an Hirschfeld und deutete mit der behandschuhten Rechten einen Handschlag an. „Ich bin Jens Schröder, Leiter der MK.“
    „Freut mich“, erwiderte Hirschfeld und meinte, was er sagte.
    Er schätzte, dass sie beide nur ein paar Jahre trennten, und war angenehm überrascht, dass ein junger Kriminalhauptkommissar der Mordkommission vorstand.
    „Schön, dich im Team zu haben. Dein guter Ruf ist dir vorausgeeilt. Das können nicht viele Beamte von sich behaupten“, sagte Schröder.
    Hirschfeld winkte ab. Mit Kritik konnte er meist nicht besonders gut umgehen. Mit Lob noch viel weniger.
    „Ich würde mir gerne selbst ein Bild vom Fundort machen“, gab Hirschfeld zurück und hoffte, das Thema damit beendet zu haben.
    Nachdem er ihn für einen Augenblick ruhig gemustert hatte, antwortete der Leiter der MK:
    „Das lässt sich einrichten.“

14
    Zweige ziehen an meinen Haaren und Kleidern. Wollen mich festhalten. Nicht mehr loslassen. Will hier weg! Laufe und laufe, aber alles sieht gleich aus im Dunkeln. Stolpere durchs Unterholz. Halte die Arme vors Gesicht, damit ich nicht noch mehr Kratzer abbekomme. Taumel. Falle! Mein linkes Knie ist aufgeschlagen, die Hose zerrissen. Tränen laufen mir über die Wangen. Ich rufe. Einmal. Zweimal. Dreimal. Lausche. Doch niemand antwortet mir. Hinter mir knackt es plötzlich. Ich schreie und renne weiter. Mein Herz klopft bis zum Hals. Bleibe wieder hängen. Reiß mich mit aller Gewalt los. Meine eigene Stimme macht mir Angst. Es fängt an zu regnen. Erst sind es nur ein paar Tropfen, dann ganz viele. Da! Es blitzt. Ich erstarre. Dann hock ich mich hin und lehn mich gegen einen Stamm. Die Rinde ist nass und rau. Schließe die Augen. Es riecht modrig und die Kälte kriecht an meinen Beinen hoch. Meine Tränen vermischen sich mit dem Regen. Was, wenn ich nicht mehr zurückfinde?

15
    Fünf Minuten später kehrte Hirschfeld zur inneren Absperrung zurück. Er hatte einen Tyvek- Anzug übergezogen und trug Einweghandschuhe und Überschuhe. Der Mundschutz roch steril. Bei jedem Einatmen zog sich das Papierflies zusammen und verstärkte diesen Eindruck.
    Von Kirchhoff war keine Spur mehr zu sehen. Schröder schien dagegen auf Hirschfeld gewartet zu haben. Neben ihm stand ein schlanker Mann Anfang 40. Er hatte kurz geschnittenes schwarzes Haar und trug einen dunklen Anzug mit einem weißen gestärkten Hemd und dazu eine magentafarbene Krawatte. Mit seiner schwarzen Hornbrille wirkte er wie ein existenzialistischer Künstler.
    „Sie dürften sich noch nicht begegnet sein“, sagte Schröder und stellte Hirschfeld vor. „Das ist Staatsanwalt Beus.“
    „Boris“, stellte der sich vor und gab dem Kriminalhauptkommissar die Hand. „Wir werden wohl künftig öfters das Vergnügen haben.“
    Sein Tonfall war reserviert, aber nicht unfreundlich. Wahrscheinlich gehörte er zu der Sorte Menschen, die sich der Sachlichkeit verschrieben hatten und alles andere für überflüssiges Beiwerk hielten.
    „Wir überlassen dir das Feld, sonst haben wir hier gleich einen Massenauflauf“, meinte Schröder und vertiefte sich wieder in das Gespräch

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