Seelenjäger: Die Jagd beginnt (German Edition)
Blick neben dem Tisch stand.
„Hallo!“, begrüßte ich ihn freundlich. „Was ist hier los? Wieso wurde ich hierhergebracht? Wo bin ich hier?“
Der Mann rührte sich nicht. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper.
„Ich rede mit dir!“ Ich wurde langsam ungeduldig, „Ihr könnt mich hier gefangen halten, aber ihr könnt mir nicht die Antworten auf meine Fragen verweigern!“
Der Mann rührte sich noch immer nicht von der Stelle.
„Und diese wirst du auch erhalten!“ Ich zuckte zusammen, als mir eine fremde Stimme antwortete.
Ich wirbelte herum. Dabei streifte ich Seth mit dem Kleid und weckte ihn auf. Er sprang auf die Füße und schaute sich verwirrt um.
Vor mir stand ein junger Mann mit rotem Haar. Seine Augen funkelten in einem kräftigen Blutrot. Seine Haut war blass und er trug feine Kleidung. Hinter ihm stand eine junge Frau mit derselben dunklen Haut wie der Mann mit dem Kelch. Sie trug ein ebenfalls weißes Gewand und hatte ihr Gesicht gesenkt. Vor sich hielt sie eine hölzerne Schatulle, in dessen Deckel ein seltsames Zeichen eingebrannt war.
Der Mann vor ihr lächelte mich freundlich an. Doch etwas lag in seinem Blick, was mir Unbehagen bereitete. Der Mann streckte mir seine rechte Hand hin. Ich starrte ihn einfach nur an. Sein Lächeln wurde breiter.
„Ich werde dir nichts tun! Versprochen!“, erklärte er mir.
Ich war nicht in der Lage, mich zu bewegen. Ich war wie versteinert.
„Es ist in Ordnung!“, wiederholte der Mann.
Ich wurde aus meiner Starre gerissen und konnte wieder sprechen.
„Wieso wurde ich angegriffen? Und wo befinde ich mich hier? Weshalb wurde ich hierhergebracht?“
Der Mann lachte. Sein Lachen hatte etwas Bedrohliches. Ich traute ihm nicht.
„Ganz schön viele Fragen auf einmal, Jaqueline!“, kam seine Antwort.
Ich wich ein Stück zurück.
„Woher kennt Ihr meinen Namen?“, fragte ich.
„Ich kenne mehr als nur deinen Namen! Ich weiß so ziemlich alles über dich! Aber du brauchst dich nicht zu fürchten! Wie ich schon sagte, ich werde dir nichts tun!“
Der Mann sah mich durchdringend an. Er hatte noch immer seine Hand ausgestreckt. Ich zögerte. Wenn er mir etwas hätte tun wollen, hätte er das bereits getan. Also legte ich meine Hand in seine. Er schien erfreut zu sein und beugte sich vor. Seine kühlen Lippen berührten meinen Handrücken. Er richtete sich wieder auf.
„Willkommen in meinem Heim! In meinem Heim in Chrana! Ich, liebe Jaqueline, bin Chraz!“, erwiderte er.
Ich entriss ihm meine Hand und wich zurück, bis ich mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Ich starrte ihn angsterfüllt an. Er lächelte noch immer so freundlich wie zuvor.
„Ich wiederhole es ein weiteres Mal: Ich werde dir keinen Schaden zufügen! Du brauchst also keine Angst zu haben! Du bist hier vollkommen sicher!“
Ich wollte ihm glauben. Wirklich. Doch mein Verstand wehrte sich mit aller Kraft dagegen. Er lügt, er hat deine Eltern ermordet! Die Stimme in meinem Kopf schrie mich an. Du musst fort von hier! , rief sie. Aber ich rührte mich nicht. Es kam mir vor, als wäre mein Körper auf einmal eingefroren und wollte nicht mehr auftauen. Ich konnte mich nicht bewegen und ein eisiger Schauer legte sich über mich. Chraz machte einen Schritt auf mich zu, das Eis um mich herum zersprang augenblicklich.
„Nein!“, schrie ich.
„Doch, Jaqueline! Du bist hier, bei mir!“, entgegnete Chraz völlig ruhig.
„Nein! Nein! Nein! Ich … ich … Nein!“, schrie ich.
Chraz machte einen weiteren Schritt. Ich presste mich gegen die Wand.
„Komm nicht näher! Mörder! Monster! Tyrann!“, kreischte ich.
Chraz blieb stehen.
„Mir ist klar, dass du mir nicht vertraust! Noch nicht! Komm und nimm meine Hand!“ Er schien nun doch bemerkt zu haben, dass ich gerade durchdrehte.
„Nein! Blieb weg von mir!“
„Jaqueline …“, begann er.
„Nein! Lass mich zufrieden! Verschwinde!“, schrie ich ihn an.
Sein Lächeln erlosch. Er sah mich traurig an. Dann drehte er sich auf dem Absatz um, berührte die dunkelhäutige Frau am Arm und löste sich in einer schwarzen Rauchwolke auf. Als der Rauch oder Nebel oder was auch immer sich verzogen hatte, sank ich auf den Boden. Die Tränen flossen aus mir heraus wie ein Bach. Ich konnte sie nicht zurückhalten. Und trotz meines Tränenausbruchs war ich ganz still. Kein Schluchzen oder Schniefen. Ich verzog nicht einmal das Gesicht. Ich starrte einfach auf meine Hände und weinte.
Nach einer Weile waren alle Tränen versiegt.
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