Seelenjäger: Die Jagd beginnt (German Edition)
Gefahr hin, alles war ruhig und friedlich. Wenn es doch immer so wäre, dachte ich. Wenn alles Böse sich in Luft auflösen würde und die Welt ihren gemütlichen Lauf nehmen könnte. Wenn die Liebe und das Glück in Flocken auf die Erde schweben würden und die Güte und das Vertrauen so beständig wären wie die Nadeln einer Tanne oder Fichte. Wenn die Welt von einer Decke der Stille bedeckt wäre. Dann gäbe es weder Tränen noch Hass. So ein Leben, so eine Welt wäre vollkommen und perfekt. Doch das waren jedoch alles nur Illusionen und Träume. Tagträumereien ohne Zukunft, ohne Bestand.
Und wieder drängten sich die Gedanken an meine Familie, an meine tote Familie, vor und zwangen mir Tränen in die Augen.
Vergangenheit
Wir ritten die ganze Nacht hindurch. Am nächsten Morgen kamen Own und ich in dem Dorf an, in dem Professor Taeks Freund lebte. Es war kleiner als das, in dem Taek wohnte. Es bestand aus recht wenigen Hütten, die alle aussahen, als würden sie jeden Moment auseinanderbrechen. Doch in der Mitte des Dorfes ragte der hohe Turm einer Kirche empor und stach die tief hängenden Wolken auf. Ich war beeindruckt von der Größe und Architektur der Kirche. Sie war imposant und über dem riesigen Haupttor hing ein gigantisches Bronzekreuz. Die Fenster waren fast ebenso hoch wie das Dach der Kirche, aber dafür schlicht, und sie wirkten grau und traurig. Die Kirche hatte eine unheimliche Wirkung auf mich. Sie war so groß und grau. Sie verströmte Angst, Trauer und die Vorahnung, dass bald etwas Schreckliches geschehen würde. Own ritt an der Kirche vorbei und steuerte eine kleine Hütte an, die noch schäbiger als die anderen aussah.
Own stieg von seinem Pferd ab und klopfte an die morsch aussehende Tür. Es dauerte eine Weile, bis sich etwas in der Hütte tat. Ich hörte schlurfende Schritte, dann schob sich ein Kopf durch einen Spalt zwischen Tür und Türrahmen. Wirres graues Haar quoll durch den Spalt und umrahmte das rundliche, faltige Gesicht. Alles wirkte etwas kindlicher als bei Professor Taek. Erst nach einigen Sekunden tauchte ein entschuldigendes Lächeln auf den Lippen des alten Mannes auf.
„Oh, verzeiht! Ich habe Euch gar nicht erkannt! Nun kommt doch herein!“
Der Professor öffnete uns die Tür vollends und ließ uns eintreten. Im Innern des Häuschens war es allerdings nicht viel wärmer als draußen.
Die Hütte bestand nur aus zwei aneinandergrenzenden Räumen: einem Wohnraum und einem Schlafzimmer. Im Wohnraum standen nur ein Holztisch, der so aussah, als würde er unter dem Gewicht der auf ihm liegenden Bücher zusammenbrechen, und zwei ebenso ausgelastete Stühle. Ich konnte keinen Kamin ausmachen. Das würde zumindest die Kälte hier drinnen erklären, obwohl es unlogisch war, dass jemand keinen Kamin besaß.
„Es tut mir leid, es ist ein wenig kühl! Am besten lasst Ihr Eure Mäntel an, dann wird Euch schon warm!“
Wir taten, was er uns vorschlug. Mit Vergnügen. Ich wickelte mich sogar noch ein wenig enger in den Umhang. Ich sah Own an, dass es ihm ebenfalls kalt war, denn er zog seine Handschuhe, die er vorher ausgezogen hatte, wieder an.
Professor Bram entschuldigte sich noch Hunderte Male und bot uns die Stühle an. Aufgeregt harschte er umher und fegte einmal über jeden Stuhl, bis sie zum Sitzen geeignet waren. Auch wenn ich noch ein bisschen Angst davor hatte, mich auf einen so überlasteten Stuhl zu setzen. Doch ich sagte mir, wenn er die Bücher überlebt hatte, und es waren sehr dicke und schwere Bücher, dann würde er auch mich überleben. Trotzdem war ich noch vorsichtig und achtete auf jedes verdächtige Knarren oder Ächzen. Aber zu Owns und meinem Glück hielten die Stühle.
Der Professor kramte aus einem großen Haufen von allem Möglichen ein paar Kerzen hervor, stellte sie auf den Tisch und zündete sie an. Aus dem Schlafraum holte er sich einen Hocker und setzte sich zu uns. Dann versanken er und Own in ein hitziges Gespräch über den bevorstehenden Kampf, Alecan und mich. Ich hörte eine Weile zu, doch schließlich wurde ich zu müde und mir fielen die Augen zu.
Als ich aufwachte, drang graues Licht durch die vereiste Scheibe in Brams Schlafraum. Ich lag auf einer Strohmatratze, eingewickelt in einen Haufen Decken und einen ziemlich langen Wollschal. Der Schal roch nach Staub, Pergament und Wachs. Ich sog den Geruch mit einem Zug ein und schloss noch einmal die Augen. Ich hatte ausnahmsweise einmal einen schönen Traum gehabt. Ich hatte von
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