Seelenjäger: Die Jagd beginnt (German Edition)
meinen Eltern geträumt, wie sie mit mir als kleinem Kind auf einer Lichtung saßen. Um uns herum waren überall Ruinen und umgestürzte und eingestürzte Mauern. Alles war still, abgesehen von den Vogelrufen.
Trotz der Ruinen hatte der Ort nichts Bedrohliches. Er wirkte beruhigend und in keiner Weise Furcht einflößend.
Ich atmete noch einmal tief durch, dann öffnete ich die Augen erneut und betrachtete die weißliche Fensterscheibe. Ich versteckte meine Nase in dem Schal und versuchte meinen Traum festzuhalten. Ich wollte ihn nicht vergessen, er war einfach zu schön gewesen. Während ich versuchte, mir alle Einzelheiten einzuprägen , sah ich mir die Scheibe genauer an. Das gesamte Glas war von winzigen Eiskristallen bedeckt. Je weiter die Kristalle in die Nähe der Mitte kamen, desto kleiner wurden sie. Die Scheibe war ein wenig angelaufen, doch ich konnte einen Schatten sehen, als jemand am Fenster vorbeilief.
Ich hätte ewig so daliegen können, doch irgendwann zwang ich mich, aufzustehen. Sobald meine Nase nicht mehr in dem Wollschal versteckt war, stieß ich kleine, weiße Wölkchen aus. Es erinnerte mich schwach an die Pfeife von Kanoon, Simons Großvater. Sofort musste ich an die Familie denken. Ich fragte mich, ob sie es geschafft hatten. Ob sie entkommen konnten und nun irgendwo anders neu anfingen. Bis alles in Dunkelheit gestürzt wird, fügte ich in Gedanken noch hinzu. Ich schüttelte energisch den Kopf. An das wollte ich am allerwenigsten denken.
Den Kopf schüttelnd, betrat ich den Wohnraum. Own und Professor Bram sahen mich verwirrt an.
„Warum schüttelst du den Kopf?“, fragte mich Own.
„Ich musste soeben an eine Familie denken, die ich vor wenigen Tagen kennengelernt hatte. Sie wohnten in einem Dorf, das von den Salakei angegriffen wurde. Ich hoffe, sie konnten fliehen!“, antwortete ich ihm.
Er und der Professor saßen am Tisch und hatten einige Bücher und Schriftrollen vor sich ausgebreitet. Die Kerzen waren schon bis auf den Boden abgebrannt. Ich nahm an, sie haben den ganzen Tag gearbeitet, geredet oder was auch immer.
„Wie lange habe ich geschlafen?“, wollte ich wissen.
Own und der Professor wechselten ein paar fragende Blicke. Sollten sie es mir sagen oder nicht? Own entschied sich dann doch dafür, mich einzuweihen.
„Du hast den ganzen Tag und die Nacht durchgeschlafen! Es ist bereits der nächste Morgen. Ehrlich gesagt hatten wir Angst, du wachst gar nicht mehr auf, Langschläferin!“ Seine Grübchen tauchten wieder auf, als er lächelte.
Normalerweise hätte ich so getan, als wäre ich beleidigt, weil er mich „Langschläferin“ genannt hatte. Aber heute war es mir egal. Vielleicht lag es an dem Traum, den ich hatte, überlegte ich mir. Vielleicht lag es auch nur daran, dass ich endlich einmal so richtig ausgeschlafen war.
„Was macht ihr da?“, fragte ich die beiden, während ich neugierig meinen Hals reckte und mir die Schriften und Bücher ansah.
„Wir lesen ein paar von Alecans verfassten Schlachtplänen, die er vor vielen Jahren schrieb. Kurz nachdem er sich von Chraz losgesagt hatte und zu uns kam. Wir dachten, so könnten wir ein wenig mehr über Chraz’ Strategien zu erfahren, allerdings hat er sich verändert. Möglicherweise da Alecan die Seiten gewechselt hatte und über Wissen verfügt, das er gegen Chraz verwenden konnte und noch immer kann. Wir hatten gehofft, ein paar Informationen zu erlangen, aber Chraz ist anders als zuvor. Er hat andere Wesen in seinen Reihen, er hat den Werwolfkönig auf seiner Seite. Bisher hat er sich bedeckt gehalten, um nur wenig über seine Strategie und Vorgehensweise preiszugeben. Ich muss wirklich sagen, ohne Alecan sind wir aufgeschmissen! Er kennt Chraz besser als jeder andere! Er ist vielleicht der Einzige, der ihn besiegen kann!“, erklärte Bram.
Ich nickte und zeigte mit dem Zeigefinger auf mich.
„Das führt uns natürlich wieder zu mir!“
Die beiden Männer nickten zur Bestätigung. Ich konnte von ihren Gesichtern ablesen, dass sie nicht so begeistert von Professor Taeks und meiner Idee waren, Alecan aufzusuchen und ihn zu bitten, uns zu helfen. Doch das war mir egal. Ich wollte es versuchen, koste es, was es wolle.
Ich hasste Kälte. Ich hasste Schnee. Ich hasste die Tatsache, dass wir, Own und ich, erneut auf unsere Pferde steigen mussten und nun auf dem Weg zu einer kleinen Waldhütte nahe dem Dorf waren. Ich hasste die Tatsache, dass wir nun durch Schnee und Kälte reiten mussten. Im
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