Seelenjäger: Die Jagd beginnt (German Edition)
konnte mir nicht einmal eine solche Person vorstellen.
Er starrte mich mit hochgezogenen Augenbrauen ebenfalls an.
„Ich unterschätze dich keineswegs! Schließlich kannte ich deine Großmutter! Man macht jeden Fehler nur einmal!“, erklärte er mir.
„Ihr müsst Euch keine Sorgen darum machen! Ich glaube kaum, dass jemand in einem Kampf gegen Euch bestehen könnte!“, erwiderte ich.
Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Ein freundliches Lächeln, nicht bedrohlich oder selbstgefällig.
„War das gerade ein Kompliment?“
Augenblicklich schoss mir die Röte ins Gesicht. Ich fühle mich ertappt, obwohl ich nicht einmal beabsichtigt hatte, ihm ein Kompliment zu machen. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn jedoch wieder, als mir nichts einfiel. Er hatte mich erwischt. Also gab ich mich geschlagen und verschränkte die Arme. So erhoffte ich mir, nicht zu schwach zu wirken und wenigstens Selbstsicherheit zu signalisieren. Allerdings funktionierte es nicht so wie gedacht.
„Du musst dich nicht schämen, nur weil du dem Vollidioten ein Kompliment gemacht hast!“, stellte er klar.
„Ich schäme mich nicht! Und wieso glaubt Ihr, ich würde Euch für einen Vollidioten halten?“, entgegnete ich empört.
„Ich bitte dich! Ich weiß, dass du mich hasst! Aber ist schon in Ordnung, ich komme damit klar! Ich bin mein ganzes Leben damit klargekommen!“
„Stimmt, ich kann Euch nicht leiden! Aber ich halte Euch sicherlich nicht für einen Vollidioten! Ich halte Euch für einen arroganten, selbstverliebten Mörder, ohne jede Ehre und ohne Stolz!“
Das saß. Seine Miene erlosch, sein Gesicht war wie leer gefegt. Er zeigte keine Regung mehr, nicht das leiseste Zucken.
„Vielleicht habe ich dich doch unterschätzt!“ Mit diesen Worten drehte er sich um und im nächsten Moment stand er, den Rücken zu mir gedreht, mit meinem Bruder da.
„Ach, Ihr seid damit klargekommen, ein Vollidiot zu sein, aber wenn jemand Euch die Wahrheit sagt, seid Ihr beleidigt?!“ Meine Stimme hatte einen abfälligen Tonfall angenommen.
Nachdem ich geendet hatte, wirbelte er herum und drückte mich in Sekundenschnelle auf die Altarfläche.
„Du hast keine Ahnung, wer ich eigentlich bin! Du kennst keineswegs die Wahrheit über mich, also solltest du es einfach sein lassen!“ Sein Gesicht war kalt, doch er zeigte unbändigen Zorn.
Ich wusste nicht, ob er so wütend auf mich war oder auf jemanden oder etwas anderes. Aber ich hatte Angst. Nicht davor, dass er seine Wut an mir auslassen könnte, nein, ich hatte Angst, dass ich ihm etwas schulden könnte.
„Es tut mir leid!“, hauchte ich ihm zu.
Er schnaufte auf. Er drehte sein Gesicht weg, doch ich konnte die Trauer in seinen Augen sehen.
„Du bist vielleicht die Einzige, die mir helfen kann!“
„Ich werde Euch zu den Ruinen führen, das verspreche ich!“
„Das meine ich nicht!“
Erneut war ich verwirrt.
„Was dann?“, fragte ich vorsichtig.
„Nur du kannst ermessen, wie viel Schmerz und Trauer mit dem Tod geliebter Menschen verbunden ist! Du hast denselben Verlust erlitten wie ich, so bist auch du die Einzige, die mich jemals verstehen könnte . Aber das verlange ich sicherlich nicht von dir!“
Er richtete sich auf und ließ mich los. Ich setzte mich langsam auf, noch immer verwirrt von dem, was ich soeben gehört hatte. Er drehte sich weg von mir.
Eine Weile blieb es still, ich hörte nichts außer meinem Atem. Erst jetzt fiel mir auf, wie kalt es in der Kirche war. Die ganze Zeit war ich so damit beschäftigt gewesen, meine Gefühle unter Kontrolle zu halten, dass ich gar nicht gemerkt hatte, wie eiskalt es war.
„Meine Bedingung ist, mein Bruder bleibt bei einem der Professoren oder Own und wird nicht weiter hier mit reingezogen!“, brach ich schließlich das Schweigen.
Alecan drehte sich um und sah mir in die Augen.
„Deine Bedingung?“
Ich nickte.
„Wenn ich Euch zu den Ruinen führe, möchte ich die Sicherheit meines Bruders garantiert! Woher kann ich wissen, ob Ihr Euer Versprechen haltet? Ihr könntet die Abmachung genauso brechen wie ich!“ Im Augenwinkel sah ich, dass sich mein Bruder Michael bewegte.
Er wollte mich nicht verlassen, oder eher gesagt, er wollte nicht, dass ich ihn verließ.
„Habt Ihr Bedingungen?“
Für einen Moment dachte ich, er hätte mich nicht verstanden, doch dann antwortete er mir.
„Ja, ich möchte, dass du mich Alec nennst und duzt! Sonst komme ich mir so … sagen wir mal, ich fühle mich
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