Seelenjäger: Die Jagd beginnt (German Edition)
recht.
„Was ist das Wichtigste für dich?“
„Wie?“ Alec war nun seinerseits verwirrt.
„Was ist das, was dir am meisten bedeutet? Das Allerwichtigste auf dieser Welt?“, fragte ich noch einmal.
„Meine Schwester!“ war seine Antwort.
Ich verstand. Geschwisterliebe war stark, sehr stark.
„Dann schwöre auf deine Schwester, dass du dein Versprechen hältst!“
„Meine Schwester ist tot! Mein Schwur wäre zerbrechlich!“
„Nein, wäre er nicht! Schwöre auf sie, nicht auf ihr Leben! Schwöre, denn sie wird immer in deinem Herzen bleiben! Ein solcher Bund verschwindet nicht einfach mit dem Tod, glaub mir!“
„Ach, ich habe ein Herz?“
„Alec, bitte!“
„Na gut! Ich schwöre auf meine Schwester!“, gab er sich geschlagen, „Aber wisse, es wird die Zeit kommen, dass dieses Gespräch keine Bedeutung mehr hat und der Schwur nichts weiter als ein unerfülltes Versprechen sein wird. Und daran kann niemand etwas ändern! Genauso wenig, wie daran, dass jeder eines Tages sterben muss!“
„Das glaube ich nicht! Meine Mutter hatte mir einmal gesagt, jeder wird unsterblich, wenn er nur einen hat, der ihn liebt. Die Liebe ist unsterblich und all ihre Anhänger! Und daran kann niemand wirklich etwas ändern!“
„Deine Worte klingen weise, aber wie ich schon sagte, es wird die Zeit kommen, in der das keine Rolle mehr spielen wird!“
„Und woher willst du das wissen? Besitzt du zufällig die Gabe der Voraussicht oder ist das bloß ein Instinkt?“
Alec lächelte leicht.
„Vertrau mir! Das solltest du schon mal üben, denn mir zu vertrauen ist eine weitere Bedingung, die ich stelle!“
„So? Ich soll einem, wie hast du es noch mal genannt, Vollidioten vertrauen? Das erscheint mir nicht besonders klug!“
„Schon die Tatsache, dass du mit mir diese Unterhaltung führst, zeigt doch, wie dumm du bist!“
Ich warf ihm einen empörten und tadelnden Blick zu. Er drehte sich grinsend um und machte ein paar Schritte auf das Tor zu.
„Kommst du?“, fragte er mich mit hochgezogenen Augenbrauen.
Verwirrt sah ich ihn an. Er machte eine Handbewegung auf meinen Bruder zu und versicherte mir noch einmal.
„Er wird zu Professor Bram gehen. Um ihn musst du dir keine Sorgen machen, er ist ein tapferer Junge!“ Dann drehte er sich erneut um und trat hinaus aus der Kirche.
Ich sah ihm kurz nach, dann drehte ich mich meinerseits um und blickte zu meinem Bruder. Ich machte die letzten Schritte auf ihn zu und kniete mich vor ihn. Jetzt war er einen halben Kopf größer als ich. Tränen stiegen mir in die Augen, als ich sein Gesicht in die Hände nahm. Ich wollte mich nicht von ihm verabschieden. Ich hatte ihn doch gerade erst wiederbekommen. Ich holte tief Luft und versuchte stark zu sein, für ihn. Ihm stiegen ebenfalls Tränen in die Augen und rollten über seine kindlichen Wangen.
„Nein, nicht weinen! Wir werden uns wiedersehen, o.k.?“, sagte ich zu ihm und wischte eine seiner Tränen weg.
„Versprichst du es mir?“, fragte er mich mit erstickter Stimme.
Ich nickte.
„Ja, ich verspreche es! Wir werden uns wiedersehen, hast du verstanden?“ Meine Stimme zitterte.
„Ja.“
„Gut. Und jetzt versprichst du mir, dass du auf Professor Bram hören wirst! Und auf Professor Taek und Own!“
„O.k.“
„Ja? Dann, bis später!“ Das hatte den Ausschlag gegeben.
Die Tränen flossen in Bächen über Michaels Wangen.
„Mikey, das heißt keinesfalls ‚Lebe wohl!‘! Ich habe es doch versprochen! Wir sehen uns wieder!“ Ich schluckte die meisten Tränen herunter, doch eine stahl sich davon und kullerte über meine Wange.
Jetzt nahm Michael mein Gesicht in seine kleinen Hände und fing die Träne auf.
„Nicht weinen, Jaqueline! Das heißt keinesfalls ‚Lebe wohl!‘!“
Ich lächelte ihn an und nahm ihn zum Abschied in die Arme. Ich würde ihn vermissen. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob ich mich ein zweites Mal von ihm verabschieden konnte. Wenn ich nicht zurückkehren oder er sterben würde … ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich es schaffen würde, ihn ein weiteres Mal zu verlieren. Also verdrängte ich den Gedanken daran so schnell wie möglich und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Die Professoren und Own werden auf dich aufpassen!“, sagte ich als Letztes, dann stand ich auf und ging ebenfalls aus der Kirche.
Vor dem großen Tor blickte ich noch einmal zurück ins Innere der Kirche und schenkte meinem Bruder ein letztes Lächeln.
„Er weiß doch gar nicht, wo
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