Seelenjäger: Die Jagd beginnt (German Edition)
abgerissen hätte.
„Willst du noch zu den Ruinen der Seelen, oder hast du es dir inzwischen anders überlegt?“, fragte ich ihn, um abzulenken.
„Natürlich will ich noch zu den Ruinen! Aber ich glaube kaum, dass wir da entlangsollten!“ Er zeigte auf die Klippen.
Ich legte den Kopf schräg und sah ihn an.
„Wollen nicht, aber wir müssen!“
Zurück zu Hause
Langsam erkannte ich immer mehr die Umgebung, während wir am Rand der Klippen entlanggingen. Ich hatte Alec befohlen, seinen Arm zu schonen, was ihm ganz und gar nicht gefiel. Er argumentierte damit: „Dann kommen wir langsamer voran und es geht mir gut.“
Während Alec vor sich hin murrte, versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen. Denn all die Erinnerungen, die ich versucht hatte zu verdrängen, kamen wieder in mir hoch. Meine Eltern, das Dorf, meine Kindheit, der Angriff. Trauer gewann die Oberhand in meinen Gefühlen.
Ich konnte sie vorerst in Schach halten, doch als die Bootsstege der Fischerboote in Sicht kamen, wurde ich übermannt. Tränen rollten leise über meine Wangen. Ich wischte sie schnell weg, bevor Alec sie sah, doch es war zu spät. Er trat neben mich und sah mich besorgt an.
„Wieso tust du dir das an? Wir müssen nicht auf diesem Weg zu den Ruinen!“, versuchte er mir zu erklären, aber ich hörte nicht hin.
Nimm dich zusammen, sagte ich mir und straffte die Schultern. Mit energischen Schritten ging ich weiter in Richtung meines ehemaligen Wohnortes, des Dorfes Sonah .
Als ich die letzten Bäume hinter mir ließ und auf das Tal am Meer blickte, verbarg ich mein Gesicht in Alecs Jacke. Er legte mir seinen Arm um die Schultern.
Ich brauchte eine Weile, bis ich mich gegen die Wucht der Gefühle und der Trauer wehren konnte und endlich den Mut fasste, auf das zu blicken, was einmal meine Heimat gewesen war.
Die Häuser waren eingestürzt, über die Wege wucherte das Unkraut, weil keiner mehr da war, der es entfernte, und überall stocherten Raben in noch essbaren Überresten von allem Möglichen. Als ich unser altes Haus entdeckte, rannte ich los.
Da war es. Ich hatte mir so oft gewünscht, es noch einmal sehen zu können. Und jetzt wünschte ich mir, es nicht gesehen zu haben. Das Dach war eingestürzt und verbrannte Trümmer bedeckten den Hof. Zerbrochene Teller und Vasen, Werkzeuge meines Vaters und Stoffreste. Ich stieß einen Schrei aus und sank auf die Knie.
Ich hörte Alecs Schritte hinter mir. Ich verbarg mein Gesicht in meinen Händen und weinte bitterlich. Es war mir egal, dass Alec hinter mir stand oder dass meine Eltern jetzt vielleicht enttäuscht von mir wären.
Ich riss meinen Kopf in die Höhe. Meine Eltern! Wo waren sie? Ich sprang auf die Füße und fing an die Trümmer zu durchwühlen. Hektisch schob ich Bretter und Balkenteile zur Seite und suchte nach den Leichen meiner Eltern. Doch ich fand sie nicht.
„Jackie …“, fing Alec an, doch ich unterbrach ihn.
„Nein, ich muss sie finden! Sie haben es verdient, dass man sie beerdigt!“
„Jackie, das solltest du dir ansehen!“, versuchte Alec es erneut.
Ich blickte auf und entdeckte Alec etwas weiter rechts von den Überresten des Hauses. Er stand vor dem Apfelbaum, den mein Vater einst dort gepflanzt hatte. Ich ging zu ihm.
Er zeigte auf die Wurzeln des Baumes. Dort erhoben sich zwei längliche Hügel, die Erde wurde erst kürzlich aufgewühlt. Und auf den Hügeln steckten zwei schlichte, schnell gebaute Kreuze. An einem hing die Halskette meiner Mutter.
„Jemand hat sie bereits begraben!“ Alec flüsterte nur.
Ich brach zusammen und landete auf den Knien. Es war mir egal, wer sie begraben hatte, ich war nur froh, dass ich nicht in ihre halb verwesten Gesichter blicken musste. Auch wenn ich ihnen so gerne noch einmal ins Gesicht hätte sehen wollen.
„Jackie, wir haben Besuch!“, flüsterte Alec.
Ich sah zu ihm hoch. Er hatte sich versteift und machte eine leichte Kopfbewegung in Richtung der nächstgelegenen Trümmer, die höher als eine Person waren und hinter denen sich jemand leicht verstecken hätte können. Ich nickte.
Vorsichtig, um kein verräterisches Geräusch zu machen, ging Alec auf die Trümmer zu. Als er direkt davorstand und sich bereit machte, wen auch immer zu fangen, schnellte eine braune Hand hervor und wollte Alec das Genick brechen. Doch er war schnell genug, um auszuweichen. Ich rannte sofort zu ihm.
Sobald ich bei ihm angekommen war, trat eine große, dunkle Gestalt aus dem Schatten der Trümmer. Und ich
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