Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
entfernt. Das ließ darauf schließen, dass sie Sheridans Wagen bewusst ramponiert hatte, um mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Suna unterdrückte einen Fluch. Es passte alles zusammen. Das Problem war nur, jetzt Linda das alles so schonend wie möglich beizubringen. Ihre Klientin hatte in den letzten Wochen so viel Schlimmes durchmachen müssen, dass es Suna nicht leicht fiel, sie jetzt auch noch mit ihren Schlüssen konfrontieren zu müssen. Doch sie musste die Wahrheit erfahren, so weh es auch tat.
Als sie die Wohnanlage im Hochschulviertel erreichte, in der Lindas Apartment lag, blieb sie noch einen Moment im Auto sitzen, um Rebecca anzurufen. Sie wollte wissen, ob die Ermittlungen noch etwas Neues ergeben hatten. Etwas, das ihre Theorie bestätigte oder sie noch einmal zum Umdenken veranlasste.
Doch ihre ehemalige Schwägerin berichtete nur, dass sie Pavel Svoboda nach dem Verhör wieder hatten gehen lassen, weil sich kein konkreter Hinweis ergeben hatte, dass er an einem der Verbrechen beteiligt gewesen war.
Auch das passte ins Bild.
Suna versprach Rebecca, nach ihrem Besuch bei Linda noch mal bei ihr anzurufen und ihr ihre Vermutungen zu erklären, dann lief sie die Treppe zu Lindas Wohnung hoch.
Auf ihr Klingeln hin ertönten Schritte, die sich der Tür näherten, doch nicht Linda öffnete Suna die Tür, sondern ihr Schwager Jörn Christensen.
Suna erstarrte.
»Hallo, Frau Lürssen, kommen Sie doch rein.« Er lächelte freundlich und machte eine einladende Geste.
Suna überlegte blitzschnell.
»Hallo, Herr Christensen«, gab sie möglichst unverbindlich zurück. »Bitte entschuldigen Sie, ich wusste nicht, dass Frau Vossen Besuch hat. Ich komme vielleicht besser morgen wieder.«
»Nein, nein, das ist kein Problem.« Sein Blick war kalt geworden. Wieder wies er in Richtung Wohnzimmer. »Bitte, kommen Sie.«
Für ein paar Sekunden zögerte Suna. Wenn sie jetzt einfach ging, brachte sie Linda damit vielleicht in Gefahr. »Gut, danke«, sagte sie, während sie in ihrer Jackentasche möglichst unauffällig nach ihrem Telefon tastete. Noch im Gehen zog sie die Jacke aus und hängte sie über einen der Stühle.
Sie sah Lindas Hinterkopf. Ihre Klientin saß mit dem Rücken zu ihr im Sessel und bewegte sich nicht. Suna wusste nicht, was mit ihr passiert war. Vielleicht hatte sie das Bewusstsein verloren. Möglicherweise war sie aber auch schon tot.
Langsam ging Suna auf sie zu, dicht gefolgt von Jörn. Sie erwartete einen Schlag von hinten oder zwei Hände, die sich plötzlich um ihren Hals legten. Mental bereitete sie sich darauf vor, beides abzuwehren. Doch mit dem, was dann geschah, hatte sie nicht gerechnet.
Zwei Metallklammern schossen plötzlich von hinten auf sie zu und bohrten sich in ihren Rücken. Der Schmerz war unbeschreiblich. Er schoss durch ihren gesamten Körper, jeder Muskel begann zu zucken und sich zu verkrampfen. Suna kippte nach vorn. Sie versuchte noch, sich an einem Stuhl festzuhalten, aber sie schaffte es nicht. Stattdessen schlug sie hart mit dem Kopf auf die Sitzfläche auf und prallte anschließend auf den Fliesenboden.
*
Alles wirkte verschwommen.
Suna bemühte sich, die Augen zu öffnen, aber es fiel ihr sehr schwer. Ihr Kopf dröhnte und ihr Rücken fühlte sich an, als wäre er verbrannt.
Wahrscheinlich ist er das auch, dachte Suna mühsam. Sie hatte vorher zwar noch keine Bekanntschaft mit einem Elektroschocker geschlossen, doch sie war sich sicher, dass genau dies gerade passiert war. Sie fluchte lautlos. Eigentlich hätte sie darauf vorbereitet sein müssen. Immerhin hatte der Gerichtsmediziner bei der ersten Untersuchung von Rüdiger Tenstaage die Strommarken einer solchen Waffe festgestellt.
Und dass Jörn Christensen derjenige gewesen war, der den Architekten entführt hatte, davon war sie schon vor seinem Angriff überzeugt gewesen – er und seine Frau, Lindas Schwester Saskia.
Überrascht stellte Suna fest, dass sie nicht mehr auf dem harten, kalten Fußboden lag, sondern halb sitzend auf dem Sofa hing. Sie konnte nicht lange bewusstlos gewesen sein, vielleicht ein oder zwei Minuten. Doch diese Zeit hatte Jörn offensichtlich ausgereicht, um sie hochzuheben und zur Sitzecke zu tragen.
Sie fühlte sich extrem schwach. Um nicht vom Sofa zu rutschen, klammerte sie sich an der Armlehne fest.
Ihr gegenüber saß Linda in sich zusammengesunken immer noch in dem gleichen Sessel, in dem Suna sie schon bei ihrem Eintreten gesehen hatte. Sie war blass, und ihre Augen
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