Seelenkuss
vorbei. Sie glitzerten in den Sonnenstrahlen, die durch die Oberfläche brachen und die Schwärze des Wassers mit einem Hauch von Gold durchtränkten. Erschrocken blickte sie in die Tiefe. Der DúnAnór war unter ihr. Mit einer Hand hielt er das Schwert umklammert, die andere lag an ihrem Bein und verhinderte, dass sie auftauchte. Als er sah, dass er ihre Aufmerksamkeit hatte, wies er zur Seite, dorthin, wo das Wasser von einer lichtlosen Schwärze war. Darejan verstand. Sie mussten auftauchen. Allerdings am besten an einer Stelle, an der man sie nicht sofort sehen würde.
Unter der Oberfläche schwamm sie in die Schwärze hinein. Das Wasser war so kalt, dass es sich wie flüssiges Eis auf der Haut anfühlte, und vertrieb jedes Gefühl aus ihren Gliedern. Als ihre Lungen zu brennen begannen, tauchte sie langsam auf. Nur noch ein paar Schwimmstöße entfernt, ragte das schwarze Gestein des Felskraters senkrecht in den Himmel. Sie ließ den Kopf gerade lange genug über der Oberfläche, um Luft zu holen, dann tauchte sie wieder und schwamm bis zu den Felsen hin. Neben ihr erschien der Kopf des DúnAnór. Er legte den Finger auf die Lippen, dann blickte er angestrengt die Felswand zu den Mauern des CordánDún empor. Auch Darejan lauschte angespannt, während sie am ganzen Körper vor Kälte zitternd Wasser trat. Kein Laut war von oben zu hören. Als er sie schließlich wieder ansah, waren seine Lippen blau angelaufen und er zitterte ebenso sehr wie sie selbst. Eine wortlose Geste bedeutete ihr, ihm zu folgen, dann verschwand er wieder unter der Oberfläche. Darejan hielt sich dicht bei ihm, während er sie direkt an den scharfkantigen Kraterfelsen entlangführte.
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E r konnte tauchen und schwimmen, beides sogar erstaunlich gut. Vor allem, wenn man bedachte, dass er ein Schwert blank unter den Gürtel geschoben hatte. Aber nachdem er sie an einer sandigen, vom CordánDún nur schwer einsehbaren Stelle aus dem kalten Wasser heraus und in die schwarzen Felsen hinaufgelotst hatte, entwickelte er das Geschick einer zweibeinigen Bergziege. Er fand Tritte an Stellen, an denen Darejan niemals gesucht hätte, und führte sie über Fußpfade, die hinter ihr wieder zu verschwinden schienen.
Obwohl er ihr gegenüber nur vage » Wir brauchen ein Versteck « geäußert hatte, schien er ganz genau zu wissen, wohin er sie führte. Dass sie diesen Ort erreicht hatten, begriff ihr von Kälte benommener Verstand erst, als er ihr zum zweiten Mal sagte, sie könne sich setzen. Sie ließ sich dort, wo sie stand, bibbernd und zähneklappernd in den feinen schwarzen Sand fallen. Dabei verschaffte es ihr eine gewisse Genugtuung zu sehen, dass er ebenso sehr zitterte wie sie selbst. Die Sonne war bereits hinter den Bergrücken des Kraters versunken. Das Licht wandelte sich allmählich von Orange zu Purpur.
Sie sah überrascht auf, als der DúnAnór ein paar dünne Zweige vor sie fallen ließ und sich dann daran machte, sie übereinanderzuschichten. Als er schließlich aus einem kleinen Lederbeutel einen trockenen Schwefelstein zutage förderte, wurde ihr klar, dass er diesen kleinen Felskessel tatsächlich nicht zufällig ausgesucht hatte. Er musste früher oft hierhergekommen sein. Die Wolldecke, die sie neben einem der Felsen entdeckte, bestätigte ihren Verdacht. Ein steiler Pfad war offenbar der einzige Zugang von den höher gelegenen Klippen aus, während zum See hin eine schmale Öffnung zwischen den auf dieser Seite nur halbschritt hohen Felsen zu einer halbrunden Bucht hinabführte. Selbst auf den Knien hatte sie einen freien Blick über das dunkle Wasser.
Einen Augenblick mühte er sich mit dem Schwefelstein, doch seine Hände zitterten zu sehr, als dass es ihm gelungen wäre, auch nur einen einzigen Funken zu schlagen. Benommen beobachtete sie ihn eine kleine Weile dabei, dann streckte Darejan ohne zu überlegen die Hand aus. Im Moment gab es nichts, was sie sich mehr wünschte als Wärme. Die Magie regte sich in ihrem Inneren. Zwar widerwillig, wie ein Graubär, den man aus dem Winterschlaf weckte, und nur, um sofort wieder zu versinken, doch ein kleines Flämmchen züngelte an einem Ast und wurde langsam größer. Der DúnAnór starrte auf die brennenden Zweige, dann hob sein Blick sich zu ihr und wurde schmal.
» Kannst du das noch einmal tun? « , erkundigte er sich angespannt.
Sie schüttelte den Kopf und streckte ihre Hände der Wärme entgegen. » Wahrscheinlich nicht. Zumindest im Moment nicht. Meine Magie ist noch
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