Seelenkuss
standen, sodass die Zweige ihnen schmerzhaft entgegenschlugen, hatte er das Tier in Schritt fallen lassen, der schließlich in einen müden Trott übergegangen war.
Der Fuchs verlagerte sein Gewicht und schnaubte. Es musste Mittag sein, denn die Sonne schien beinah senkrecht zwischen den Bäumen hinab. Vor ihr war der DúnAnór im Sattel halb vornübergesunken. Die rechte Hand, die die Zügel hielt, um das Sattelhorn geklammert, die Linke schlaff an der Seite, rührte er sich nicht. Er schien ebenso am Ende seiner Kräfte zu sein wie das Pferd. Ein verirrter Sonnenstrahl und ein Glänzen neben den eisenbeschlagenen Hufen lenkte ihren Blick zu Boden, und ihr wurde klar, was der Grund für jenen dumpfen Laut gewesen war, der sie aufgeschreckt hatte: Das Schwert, das der DúnAnór einem der Soldlinge abgenommen hatte, lag im Gras. Darejan starrte auf die rotverkrustete Waffe. Er hatte sie die ganze Zeit in der Hand gehalten.
Wieder schnaubte das Pferd. Unter seinen Hufen knirschte Stein, dann platschte es vernehmlich, als es einen weiteren Schritt vorwärtstrat, in den kleinen Bachlauf hinein, an dessen Rand es zuvor stehengeblieben war, und sein Maul in das glitzernde Wasser senkte. Unter der Bewegung klirrte sein Zaumzeug. Das Klingeln des Metalls brachte Darejan endgültig zu sich. Vorsichtig schob sie sich ein Stück von dem DúnAnór fort und rutschte ungelenk vom Pferderücken. Abrupt fuhr sein Kopf in die Höhe und zu ihr herum. Einen Atemzug lang starrte er sie sichtlich benommen an, dann klärte sich sein Blick und zuckte zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
» Sie sind uns nach Sonnenaufgang nicht mehr gefolgt! « , versuchte Darejan ihn zu beruhigen. Ihr war nicht entgangen, wie er sich angespannt hatte.
Seine Augen kehrten zu ihr zurück, musterten sie in unergründlichem Schweigen. Dann schaute er langsam zu Boden, auf das Schwert. Als er wieder aufsah, hatte sich etwas in seinem Blick verändert. Genau so hatte er Darejan am Strand angesehen, nachdem er den Soldling getötet hatte.
Unter ihm stampfte der Fuchs mit dem Hinterhuf und schlug unruhig mit dem Schweif. Sie bewegten sich gleichzeitig, doch Darejan war den Bruchteil eines Herzschlags schneller. Als er aus dem Sattel geglitten war, wies die Schwertspitze schon auf seine Brust. Schweigend starrten sie einander an. Seine Silberaugen waren schmal, glitten über die Klinge, über ihre zitternde Hand, zu ihrem Gesicht. Er machte einen Schritt vorwärts. Die geschliffene Spitze drückte sich gegen seine Brust.
» Bleib, wo du bist! « Sie war selbst erstaunt, wie fest ihre Stimme klang.
Seine Braue hob sich. Im Sonnenlicht glitzerten die Edelsteintätowierungen auf seiner graufahlen Haut. Er tat einen weiteren Schritt auf sie zu, breitete die Hände in einer ergebenen Geste aus. Unter der Schwertspitze entstand ein kleiner dunkler Fleck auf seinem rissigen Hemd, der sich mit jedem Atemholen zu vergrößern schien. Darejan biss die Zähne zusammen.
» Bleib stehen! Ich weiß, wie man mit einem Schwert umgeht. «
Ganz leicht neigte er den Kopf. Einen Lidschlag später hatte er ihre Hand gepackt, ihr die Klinge entwunden, sie rücklings gegen einen Baum gestoßen und ihr die Schneide gegen die Kehle gesetzt. Sein Blick bohrte sich in ihren. Darejan wagte nicht einmal mehr zu atmen. Sie sah das Flackern in den Tiefen seiner Augen und presste sich fester gegen die raue Rinde in ihrem Rücken. Das Schweigen hing gefährlich zwischen ihnen.
» Tu. Das. Nie. Wieder, Hexe! « Jedes Wort war eine Drohung. Das Schwert verschwand von ihrer Kehle. Ohne den Blick von ihr zu nehmen, trat er zurück. Die Spitze der Klinge sank zu Boden. Sie konnte sehen, wie der Zorn aus seinen Augen verschwand und Erschöpfung Platz machte. Mit der freien Rechten fuhr er sich durchs Haar, blieb mit den Fingern in den verfilzten Strähnen hängen. Am Bach klickte Eisen auf Stein, als das Pferd einen Schritt tiefer in das seichte Wasser hineinging. Endlich löste er den Blick von ihr und schaute zu dem Tier hin. Seine Schultern sanken nach vorne, dann tappte er ebenfalls zum Bach hinüber und kniete sich schwerfällig auf den Kies des flachen Ufers.
Darejan hob die bebende Hand zu ihrem Hals und stieß erleichtert den Atem aus, als sie keine klebrige Wärme unter ihren Fingern spürte, während sie beobachtete, wie er das Schwert neben sich legte und sich vornüberbeugte. Mehrere Atemzüge starrte er auf die funkelnde, munter dahin wirbelnde Oberfläche, dann
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