Seelenkuss
Handfläche. Kälte biss zu, betäubte ihre Hand, ihren Arm, kroch weiter. Winzige rote Perlen traten aus ihrer Haut. Fasziniert beobachtete sie, wie sie sich zu einer kleinen Lache sammelten, wie der Funke sich in ihr niederließ. Das Rot verschwand, während der Funke zu einer Flamme wurde. Er wirbelte davon, machte einem anderen Platz. Sie kicherte, drehte sich um sich selbst. Eine Wolke aus Funken tanzte um sie herum, Schatten und Schemen. Das Raunen des Windes war zurückgekehrt. Es klang wie Gelächter und Flüstern, das Klirren von Waffen, Schreie und Stöhnen. Das zu einem überschnappenden Kreischen wurde. Die Flammen stoben auseinander. Darejan stolperte, fiel auf die Knie, spürte Geröll und Äste unter sich. Um sie her peitschte ein Sturm die Wipfel der Bäume. Ihre Arme waren mit einem Firnis aus Blut bedeckt. Neben ihr stützte Nakeen sich schwer atmend an einem toten Stamm ab, um nicht wie sie auf die Knie zu fallen. An seinem Hals und auf seinem Gesicht glänzte Blut.
Vor ihnen gebärdete Zaree sich wie ein Schlachtross vor einem Feind. Er wieherte, schnaubte, tänzelte, stampfte, keilte aus und stieg, fletschte die Zähne und schüttelte seine Federmähne. Auf seinem Rücken saß der DúnAnór hoch aufgerichtet und beinah vollkommen regungslos. Auf der anderen Seite der Lichtung drängten sich die Flammen und Funken. Schatten und Schemen, die sich krümmten und wanden. Ein hohes Wimmern war in der Luft und schmerzte in den Ohren. Darejan kam auf die Füße und stolperte zu Nakeen hinüber. Der starrte ihr mit entsetzensweiten Augen entgegen. Eine Bewegung hinter ihnen ließ beide herumfahren. Nijaa blickte sie an. In ihrer Mähne hingen Zweige, Dornen und Kletten. Die Stute bließ ihnen ihren warmen Atem entgegen.
Und dann starb mit einem Mal jeder Laut. Silbernes Mondlicht tanzte zwischen den Bäumen hindurch. Zaree stand still mitten auf der Lichtung, den Hals elegant gebeugt. Seine Federmähne floss von seinem Nacken über seine Schultern. Ein sanfter Wind spielte mit ihr und zupfte an seinem erhobenen Schweif. Die Funken und Flammen hingen reglos im glitzernden Nebel, nur noch ein fahles Flackern, das nun langsam zu Boden glitt. Schatten und Schemen, die auf die Knie sanken, sich tief verneigten.
» Geht! « Einen Augenblick lang schien das Wort in der Lautlosigkeit zu hallen. Auf Darejans Haut kroch ein Schaudern entlang. Um ein Haar hätte sie aufgeschrien, als Nakeen sie am Arm packte und mit sich zog, hinter Nijaa her, die mit ruhigen Schritten am Rand der Lichtung entlangging und sie dann durch ein Dickicht führte. Hinter ihr knackte ein Zweig und sie blickte sich hastig um. Zaree und sein Reiter folgten ihnen langsam in einigem Abstand. Über ihnen schuhute ein Nachtvogel. Ein zweiter antwortete. In den Büschen erwachte Zirpen und leises Rascheln.
Erst an einem Bach blieb Nijaa stehen und senkte den Kopf um zu saufen, als wäre nichts geschehen.
» Wascht euch das Blut ab! « In der Stimme des DúnAnór schwang immer noch ein Hauch jener Macht mit, die Darejan auf der Lichtung gespürt hatte. » Sie werden uns nicht mehr folgen. Aber es gibt noch andere wie sie in diesem Wald. « Sein Ton wurde müde und dumpf vor Trauer. » Zu viele. «
» Was war das? « Sie kniete sich neben Nakeen, der schon dabei war, sich das inzwischen beinah getrocknete Blut abzuwaschen.
» AnórAtâr, Seelenfeuer. Verfluchte Seelen, denen es verwehrt ist, über die TellElâhr zu wandeln, oder zumindest in den Schleier zu gehen. Sie sind in diesem Wald gefangen und zornig darüber « , antwortete er leise und blickte in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren.
» Sind sie der Grund für die entsetzlichen Dinge, die man sich über den WrenVarohn erzählt? « Nakeen hatte sich das Hemd über den Kopf gezogen und benutzte es nun, um sich abzutrocknen.
Die silbernen Augen wandten sich ihm zu. Das Mondlicht ließ sie glitzern. » Ja. «
» Was hast du getan, um sie… zu verjagen? « Der Jarhaal trat neben Zaree und legte dem Hengst die Hand auf die Schulter.
Für einen langen Atemzug sah der DúnAnór auf ihn hinab. Selbst von ihrem Platz am Bach aus konnte Darejan die tiefen Falten sehen, die mit einem Mal seine Stirn zerschnitten. » Ich weiß es nicht « , murmelte er dann mit brechender Stimme. Seine Schultern sanken herab, und es war, als hätte ihn von einem Atemzug auf den anderen jeder Funken Kraft verlassen.
28
E s war schon dunkel, als die Reiter über das Dorf herfielen. Reglos und
Weitere Kostenlose Bücher