Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
wartete er nun schon darauf, neue Karten zu bekommen.
    Er lächelte mir zu und nickte, wogegen er Datura und deren Jungs mit einem Stirnrunzeln bedachte.
    Auf meine Anweisung hin stellten André und Robert die Benzinlaternen auf den Boden, etwa sechs Meter voneinander entfernt. Dabei bestand ich auf einigen Korrekturen – die eine Laterne einen halben Meter weiter rechts, die andere zehn Zentimeter nach links –, als wäre es für das von mir geplante Ritual erforderlich, die Lampen exakt zu platzieren. Datura sollte glauben, es gebe eine bestimmte Prozedur, die sie geduldig abwarten musste.
    Der Hintergrund des riesigen Raumes blieb dunkel, aber in der Mitte war es für meine Zwecke hell genug.
    »Hier im Kasino sind vierundsechzig Leute umgekommen«, sagte Datura. »Die Hitze war so stark, dass an manchen Stellen sogar die Knochen verbrannt sind.«
    Der beharrliche Blackjack-Spieler war vorläufig der einzige Geist, der sich zeigte. Mit der Zeit würden allerdings auch alle anderen kommen, die auf dieser Seite des Todes hängen geblieben waren.

    »Mensch, schaut euch mal die geschmolzenen Automaten an! In der Werbung heißt es immer, im Kasino fänden heiße Spiele statt, aber hier hat es ausnahmsweise mal gestimmt.«
    Von den acht Geistern, die vorher da gewesen waren, eignete sich nur einer für das, was ich vorhatte.
    »Irgendwo hat man hier die Überreste einer alten Frau gefunden. Beim Erdbeben ist eine ganze Reihe Automaten umgekippt und hat sie unter sich begraben.«
    Die schaurigen Einzelheiten hätte ich lieber nicht erfahren. Leider war mir inzwischen klar, dass ich Datura wohl kaum davon abhalten konnte, sie auszubreiten, und zwar so plastisch, wie es ging.
    »Die Leiche war so mit dem geschmolzenen Metall und Plastik verbacken, dass man sie bei der Obduktion nicht richtig davon lösen konnte.«
    Hinter dem von der Zeit gemilderten Gestank von Ruß, Schwefel und unzähligen toxischen Rückständen nahm ich erneut den halb pilzigen, halb fleischigen Duft wahr, den ich von der Treppe her kannte. Schwer fassbar, aber keineswegs eingebildet, wurde er bei jedem Atemzug stärker und dann wieder schwächer.
    »Der Untersuchungsrichter war der Meinung, die alte Schachtel solle eingeäschert werden, weil das sowieso schon zur Hälfte passiert war und weil es die einzige Möglichkeit war, sie von dem geschmolzenen Automaten zu trennen.«
    Aus dem Dunkel trat die alte Dame mit dem langen Gesicht und dem leeren Blick. Vielleicht war sie es gewesen, die unter den einarmigen Banditen eingeklemmt worden war.
    »Aber die Hinterbliebenen, die wollten keine Einäscherung, sondern ein ganz normales Begräbnis.«
    Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr, drehte mich um und sah die Cocktailkellnerin in der Uniform einer indianischen
Prinzessin. Es machte mich traurig, sie zu sehen. Ich hatte gedacht – und gehofft –, sie sei endlich weitergezogen.
    »Deshalb lagen im Sarg Teile des Spielautomaten, mit dem die Alte verschmolzen war. Völlig abgedreht, was?«
    Da kam auch der uniformierte Wachmann. Er ging ein wenig wie John Wayne, eine Hand auf der Pistole an der Hüfte.
    »Sind schon welche da?«, fragte Datura.
    »Ja. Vier.«
    »Ich sehe keinen.«
    »Vorläufig erscheinen sie nur mir.«
    »Dann zeig sie mir!«
    »Es fehlt noch einer. Ich muss warten, bis alle versammelt sind.«
    »Weshalb?«
    »So ist es eben.«
    »Versuch bloß nicht, mich reinzulegen!«, zischte sie warnend.
    »Du bekommst schon, was du willst«, versicherte ich ihr.
    Daturas kühle Selbstbeherrschung hatte sich unübersehbar in Erregtheit und nervöse Erwartung verwandelt, André und Robert hingegen stellten den Enthusiasmus von zwei Felsblöcken zur Schau. Wartend standen sie neben ihrer jeweiligen Laterne.
    André stierte in die Finsternis jenseits des Lampenscheins, als würde er nichts innerhalb dieses Universums wirklich wahrnehmen. Seine Gesichtszüge waren schlaff, er blinzelte nur selten mit den Lidern. Irgendwelche Emotionen hatte er bisher nur an den Tag gelegt, als er an Daturas zerstochener Hand geleckt hatte, und selbst dann war mir seine Fähigkeit, Gefühle auszudrücken, nicht größer vorgekommen als die eines Eichenstumpfs.
    Während André ständig in ruhigem Wasser zu ankern schien, verriet Robert gelegentlich durch sein Mienenspiel oder einen
verstohlenen Blick, dass sein Innenleben minimal aktiver war. Momentan war er allerdings völlig mit seinen Händen beschäftigt. Mit den Fingernägeln der linken Hand reinigte er

Weitere Kostenlose Bücher