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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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ähnlich wie manche Rapper bei einem Fernsehauftritt. Das hieß, dass der rasende Geist mir noch mindestens eine, vielleicht auch zwei bis drei Minuten Deckung geben würde.
    Umgeben von Rasseln, Klappern, Krachen und Kreischen, tappte ich geduckt durchs Dunkel, sorgsam darauf bedacht, nicht von umherfliegenden Trümmern bewusstlos geschlagen oder enthauptet zu werden. Außerdem kniff ich die Augen zusammen, weil so viele Späne und Splitter durch die Luft flogen, dass ich mich fragte, wieso ich ausgerechnet keine Schutzbrille im Rucksack hatte.
    So gut es in der Finsternis möglich war, versuchte ich, einer geraden Linie zu folgen. Mein Ziel: eine verwüstete Ladenpassage gleich außerhalb des Kasinos, durch die wir auf unserem Weg von der Nordtreppe her gekommen waren.
    Immer wieder stieß ich auf kleine Schutthaufen, um die ich herumging, wenn ich nicht darübersteigen konnte. Mit ausgestreckten Händen tastete ich mich vorwärts, aber ganz vorsichtig, um nicht in Nägel oder scharfe Metallkanten zu greifen.
    Asche und unidentifizierbare Kleinteile gerieten mir in den Mund, ich spuckte sie aus und zupfte irgendwelches weiche Zeug weg, das mir in den Ohren kitzelte. Angesichts des Lärms
konnte ich glücklicherweise niesen, ohne mir Sorgen zu machen, dass man mich hörte.
    Es dauerte nicht lange, da bekam ich Angst, vom Weg abgewichen zu sein, weil es kaum möglich war, sich blind zu orientieren. Bestimmt stieß ich gleich auf eine Gestalt mit verräterischen Kurven, die zu mir sagte: Ach, ist das nicht mein neuer Freund, der süße, kleine Odd?
    Das ließ mich innehalten.
    Ich löste die Taschenlampe vom Gürtel, hatte jedoch Bedenken, sie zu benutzen. Selbst wenn ich sie nur ganz kurz einschaltete, um mich in meiner unmittelbaren Umgebung zurechtzufinden, brachte ich mich damit in Gefahr.
    Datura und ihre bedürftigen Jungs hatten sich wahrscheinlich nicht allein auf die Benzinlaternen verlassen. Bestimmt hatten sie eine Taschenlampe dabei, vielleicht sogar drei. Falls nicht, dann war André sicher gerne bereit, sich das Haar anzünden zu lassen, um als wandelnde Fackel zu dienen.
    Wenn der zornige Geist sich verausgabt hatte und die drei es wagten, die Köpfe zu heben, dann rechneten sie damit, mich in ihrer Nähe vorzufinden. Um festzustellen, dass ich weder tot noch lebendig zwischen den Trümmern lag, brauchten sie ein bis zwei Minuten. Wenn ich jetzt jedoch meine Lampe anknipste, sahen sie womöglich deren Licht und wussten, dass ich mich bereits auf der Flucht befand. Das wollte ich unbedingt vermeiden, denn ich brauchte jede wertvolle Minute Vorsprung, die ich mir verschaffen konnte.
    Eine Hand berührte mein Gesicht.
    Fast hätte ich aufgeschrien wie ein kleines Mädchen, brachte jedoch keinen Ton hervor.
    Sanft legten sich fremde Finger an meine Lippen, als wollten sie mich vor dem Schrei warnen, der mir im Hals stecken geblieben war. Es war eine zarte Hand, die einer Frau.

    Nur drei Frauen hatten sich im Kasino befunden. Zwei von ihnen waren seit fünf Jahren tot.
    Selbst wenn Datura, diese selbst ernannte Göttin, doch unbesiegbar war, weil ihr Amulett dreißig geheimnisvolle Dinger enthielt, und selbst wenn sie noch knapp tausend Jahre vor sich hatte, weil sie eine Schlange in ihrem Brustkorb mit Bananen fütterte – im Dunkeln sehen konnte sie nicht. Sie besaß keinen sechsten Sinn. Ohne Taschenlampe hätte sie mich nicht gefunden.
    Die Hand glitt von meinen Lippen zum Kinn und zur Wange. Dann berührte sie meine linke Schulter, fuhr am Arm entlang und ergriff meine Hand.
    Vielleicht fühlen die Toten sich für mich warm an, weil ich das so will. Außerdem kam diese Hand mir unendlich reiner vor als die perfekt manikürte Hand der Telefonsex-Erbin. Rein und ehrlich, stark und doch sanft. Ich wollte glauben, dass sie Maryann Morris gehörte, der Cocktailkellnerin.
    In der überwältigenden Dunkelheit zögerte ich nicht länger als zehn Sekunden, dann schenkte ich ihr mein Vertrauen und ließ mich von ihr leiten.
    Während der Poltergeist hinter uns lärmend seine Frustration abreagierte, eilten wir wesentlich schneller vorwärts, als ich es alleine geschafft hätte. Statt über Hindernisse hinwegzusteigen, liefen wir daran vorbei und mussten nie innehalten, um nicht hinzufallen. Der Geist konnte im Dunkeln genauso gut sehen wie bei Tageslicht.
    Nach kaum einer Minute und einigen Kurskorrekturen, die vom Gefühl her richtig waren, hielt der Geist mich auf. Er ließ meine linke Hand los und berührte

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