Seelenmoerder
freuen.
Vielleicht auch nicht nur einen Abend. Das hoffte sie zumindest. Eventuell würde sich daraus eine richtige Beziehung entwickeln. Sie hatte es zwar nicht unbedingt auf weiße Rüschen am Traualtar abgesehen, doch wenn ein Prachtstück wie Warren Denton des Weges kam, würde sie vor den Aussichten gewiss nicht die Tür verschließen.
»Schöner Blick, nicht wahr?«
Laura zuckte zusammen. Jemand war neben sie getreten und sah durch die Fensterfront hinter ihr, die auf die Innenstadt von Savannah hinausging.
Während sie dem Ausblick gezielt auswich, erwiderte sie
verächtlich: »Keine Ahnung. Ich habe noch nicht hingesehen.«
»Sie haben noch nicht … also dann drehen Sie sich doch um und sehen Sie es sich an. Etwas später, wenn unten die Lichter angehen, wird es richtig spektakulär.«
Schon allein bei dem Gedanken drehte es Laura den Magen um. »Nein danke. Ich habe panische Angst vor Höhen.«
»Dann haben Sie sich aber einen merkwürdigen Ort für Ihr Abendessen ausgesucht«, kam es mit leisem Lachen zurück.
»Das war die Idee des Mannes, der mich eingeladen hat. Ich möchte ihn gern beeindrucken.« Laura sah sich rasch um, hielt dabei aber den Blick bewusst weg vom Fenster. »Ich wollte ihm nicht sagen, dass ich Höhenangst habe. Zumindest noch nicht gleich.«
Die Antwort wurde mit einem vertraulichen Zwinkern garniert. »Tja, keine Sorge, ich schweige wie ein Grab. Ihre Angst bleibt unser kleines Geheimnis.«
15. Kapitel
Abbie verlangsamte ihre Schritte und musterte einen Moment lang scheinbar unbemerkt den Mann, der am Schreibtisch neben ihrem saß. Ryne hatte sein Sakko nachlässig über die Stuhllehne gehängt und las etwas auf seinem Computerbildschirm, während er nebenbei immer wieder etwas in sein neben der Tastatur liegendes Notizbuch schrieb.
Sein kantiges Kinn war voller dunkler Stoppeln – es war bereits nach acht Uhr abends -, und seinem kurzen braunen Haar sah man an, dass er im Lauf des Tages mehrmals achtlos mit den Fingern hindurchgefahren war.
Am liebsten hätte sie eine Hand gehoben und es glatt gestrichen,
eine unverkennbar feminine und ganz ungewohnte Geste. Sie wusste nicht, woher die Welle der Zärtlichkeit kam, und konnte sich nicht erinnern, je so für einen Mann empfunden zu haben. Falls er das ahnte, machte es Ryne sicher ebensolche Angst wie ihr.
Sie ballte die Hände zu Fäusten, um nicht unwillkürlich nach ihm zu fassen, und ging weiter.
»Du hast nicht angerufen.«
Er wandte ihr nach wie vor den Rücken zu. Wie lange wusste er schon, dass sie hinter ihm stand? Ehe ihre Verwunderung zu Verlegenheit werden konnte, drehte er sich zu ihr um. »Ich hatte eigentlich erwartet, dass du dich früher meldest. Gab es irgendwelche größeren Schwierigkeiten mit den Lokalmitarbeitern?«
Sie schüttelte den Kopf, stellte ihre Tasche auf ihren Schreibtisch und lehnte sich mit der Hüfte dagegen. »Du weißt doch, wie es läuft. Bis du jemanden findest, der die Arbeitszeitpläne beschaffen kann, und dann sämtliche Angestellten befragt hast, vergehen Stunden.«
»Zähe Angelegenheit. Du hättest den Rest den uniformierten Kollegen überlassen sollen.«
Mit dem Handrücken kaschierte sie ein Gähnen und zuckte die Achseln. »Wir haben nicht mit jedem gesprochen, der an diesem Abend in einem der fraglichen Lokale gearbeitet hat, aber die meisten haben wir erwischt. Jedenfalls ist der Barkeeper aus dem ›Loose Goose‹ von Interesse.« Sie schilderte ihm kurz das Gespräch, das sie mit ihm geführt hatte, worauf Ryne wie abwesend nickte.
»Dann ist es also so, wie wir gedacht haben. Sie hat mit ihm vereinbart, dass er hinterher zu ihr kommt, und damit ist die unverschlossene Haustür ebenso geklärt wie die vielen Kerzen. Er taucht nicht auf, sie schläft ein – oder wird bewusstlos -, und die Kerzen stecken den Vorhang
in Brand. Damit wäre der Fall eigentlich erledigt, wenn sie nicht die gleiche Chemikalie im Blut gehabt hätte wie die Vergewaltigungsopfer. Hat er ein brauchbares Alibi?«
»Sein Boss hat bestätigt, dass er sämtliche Angestellten noch etwa drei Stunden im Lokal festgehalten hat, und kann mit Sicherheit sagen, dass der Barkeeper auch darunter war.« Nach einem fünfzehnminütigen Gespräch mit dem Mann war sie geneigt, sich der Meinung des Barkeepers über ihn anzuschließen.
Ryne massierte sich müde die Schultern. »Womöglich hat sie die gleiche Einladung in einer Bar ausgesprochen, in der sie vorher war, und der Mitarbeiter dort hat geleugnet,
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