Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
wurde. Was haben Sie dort gewollt, Frau Meister?«
Sie atmete tief durch.
»Ich habe meine Tochter gesucht.«
»Das müssen Sie etwas näher erklären, fürchte ich.«
Frau Meister lehnte sich entspannt in ihrem Sessel zurück und strich sich mit einer eleganten Bewegung die Haare aus der Stirn. Dann schlug sie die Beine übereinander und sah Peter Nachtigall direkt an.
»Lara hatte mir von der Party erzählt und auch, dass sie nicht hingehen wolle, weil sie diese Typen nicht mochte. Gegen Mitternacht brach sie aber dennoch auf, angeblich um eine andere Freundin zu besuchen. Als ich am Morgen nach ihr sah, war das Bett unbenutzt. Ich reagierte panisch. Meine erste Reaktion war, sie anzurufen, doch dann sah ich, dass ihr Handy zum Laden im Regal lag. Also beschloss ich, nach ihr zu suchen.«
»War sie bei Friederike? «
»Nein.«
Peter Nachtigall wartete.
»Ich parkte den Wagen irgendwo in der Breitscheidstraße. In der Nähe dieses Hotels. Von dort aus ging ich zu Fuß bis zu Friederikes Haus. Die Vorhänge zur Straße hin waren zugezogen, alles wirkte ruhig und verschlafen. Eine Party war jedenfalls nicht mehr im Gange. Gerade als ich zu meinem Wagen zurückgehen wollte, fuhr der Notarzt vor. Was dann passierte, weiß ich nicht. Ich stieg ein und fuhr nach Hause. Meine Tochter hatte sich in der Zwischenzeit wieder eingefunden. Laute Musik war aus ihrem Zimmer zu hören. In dem Moment kam ich mir dämlich vor. Ich klopfte an ihre Zimmertür, sagte Bescheid, dass ich nun zum Einkaufen fahren würde und fragte noch nach Extrawünschen. Das tue ich jeden Montagmorgen. Danach fuhr ich wie gewohnt zum Supermarkt. Von meiner fehlgeschlagenen, hysterischen Suchaktion habe ich niemandem etwas erzählt.«
»Sie haben also nur dort geparkt um nach ihrer Tochter zu suchen? Ist Ihnen dabei etwas aufgefallen?«, hakte Skorubski nach.
»Nein, die Straße war ruhig, die Leute schliefen wohl noch. Ich bin nicht einmal nahe beim Haus
gewesen, ich konnte hören, dass nicht mehr gefeiert wurde. Also habe ich kehrtgemacht.«
»Und als Sie vom Einkaufen zurückkamen?«
»Da saß meine Tochter hier auf der Couch und weinte. Sie erzählte mir, ihre Freundin Friederike sei erstochen worden und lief wütend davon, weil ich nicht traurig darüber war.«
»Können Sie mir auch sagen, wo Sie gegen vier Uhr morgens an jenem Montag waren?«
»Ja, ich konnte nicht schlafen und setzte mich in die Küche. Dort machte ich mir einen Früchtetee und las. Mein Mann kann das bestätigen. Er kam kurze Zeit später ebenfalls herunter. Ein Geräusch musste ihn wohl geweckt haben. Er trank ein Glas Milch und blieb für ungefähr eine Viertelstunde bei mir am Tisch sitzen. Dann ging er wieder ins Bett.«
»Gut.« Nachtigall erhob sich.
»Sie zählen mich zum Kreis der Verdächtigen?«
»Jeder, der sich in der Nähe des Tatorts aufgehalten hat, ist verdächtig.«
»Ich muss also nicht hier bleiben und darauf warten, ob noch jemand von der Polizei Fragen an mich hat.
»Nein, natürlich nicht. Alles Routine.«
»Ich gehe nämlich heute mit Lara in die Stadt. Sie möchte sich ein paar neue Sommersachen aussuchen.«
»Viel Spaß!«, wünschte Nachtigall Frau Meister freundlich, als sie sich in der Tür verabschiedeten. Aus Laras Zimmer war Musik zu hören. Die beiden würden wohl bald aufbrechen können.
»Noch jemand, der am Tatort rumgeschlichen ist! Ich fasse es nicht!«, schimpfte Skorubski.
»Nur gut, dass sie kein Motiv hat.«
»Ja, eine Erklärung hatte sie auch.«
»Lass uns mal nach Udo Wolf sehen. Der hat bei der Beerdigung eine Riesenszene gemacht. Und ein Alibi hat er auch nicht!«, beschloss Peter Nachtigall und Skorubski fuhr nach Sachsendorf.
Udo Wolf öffnete erst nachdem sie Sturm bei ihm geklingelt hatte. Übellaunig starrte er die beiden Ermittler an und für einen Moment sah es so aus, als wolle er ihnen die Tür einfach wieder vor der Nase zuschlagen.
»Guten Morgen!«, grüßte Peter Nachtigall fröhlich. »Heute wird es nicht so heiß und es regnet. Wollen Sie sich nicht einmal selbst davon überzeugen?« Er schob sich an dem torkelnden, jungen Mann vorbei in die finstere Wohnung, erreichte mit raschen Schritten das Wohnzimmer und zog die Vorhänge mit Schwung zurück.
»Aaaahhh!«, stöhnte Udo Wolf und hielt sich die Hände vor die Augen. »Lassen Sie das, Mann!«
Albrecht Skorubski schloss die Wohnungstür und sah sich um. Das Chaos schien sich noch vergrößert zu haben. Leere Flaschen kullerten von
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