Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
wird sie es bestimmt erzählt haben. Aber ihr Aktionsradius war sehr beschränkt.«
Schwester Hilde nahm das dicke Kissen vom Fensterbrett. Darunter lagen das schnurlose Telefon, eine Packung Kekse und eine Kladde mit Stift.
»Dieses Heft hier hat sie benutzt um die Parksünder zu notieren, oder andere Auffälligkeiten. Vielleicht möchten Sie das mitnehmen?«
Nachtigall nickte. Er blätterte es auf und fand ganze Zahlenkolonnen. »Hausaufgaben für Michael«, murmelte er und reichte das Heft weiter.
Sie versiegelten die Tür erneut und verabschiedeten sich von Schwester Hilde.
»Der Sohn ist arbeitslos – schon länger. Der hätte das Geld gut brauchen können«, meinte Skorubski, als sie ins Büro zurückfuhren.
»Ja. Er hat das Sparbuch aber nicht an sich genommen.«
»Vielleicht nur nicht gefunden?«
»Möglich. Aber vielleicht ist er auch schlau. Er bringt seine Mutter um und findet später mit der Schwester gemeinsam das Sparbuch. Einhundertfünfundzwanzigtausend Euro sind auch viel Geld und so gerät er nicht unter Verdacht.«
»Wir müssen auch die Schwester überprüfen. Wer weiß, ob es der finanziell wirklich so gut geht, wie sie alle glauben lassen will.«
»Wenn Friederike Petzolds Mörder sie umgebracht hat um sie mundtot zu machen, hat er von dem Heft jedenfalls nichts gewusst. Das hätte er doch sonst ganz bestimmt mitgenommen.«
»Wenn er aber sicher war, dass über ihn nichts drinsteht? Dann wäre es ein besonders kluger Schachzug gewesen, es liegen zu lassen«, widersprach Peter Nachtigall.
»Du meinst, er hat nach dem Mord in das Heft geguckt, und als kein Hinweis drinstand, hat er es zurückgelegt? Ganz schön abgebrüht.«
Sie schwiegen.
»Sag mal Peter, denkst du es war doch die Frau Kamenz?«
Peter Nachtigall grunzte zornig. Dann, nach einer Pause fragte er:
»Beim ersten Mord war es ein Messer. Warum hat er beim zweiten Mord Gift benutzt? In die Wohnung zu gelangen war einfach, das wissen wir von Michael. Warum also Gift? Und gerade so ein Gift. Stell dir vor, es hätte nicht funktioniert.«
Dann fügte er leiser hinzu: »Er wird kein Risiko eingegangen sein. Ich stelle mir vor, man hat neben ihr gewartet, bis sicher war, dass sie nicht mehr lebte. Vielleicht hat man sogar mit einem Messer in der Hand gewartet, oder mit einem Hammer, um im Zweifelsfall das gewünschte Ende auch anders herbeiführen zu können. Und man hat ungerührt zugesehen, wie sie zu jammern anfing, wie ihr schwindelig wurde, wie sie zu Boden taumelte und sich erbrach.«
Albrecht Skorubski sah ihn entsetzt an.
»Du meinst, eines der eigenen Kinder hätte ...?«
»Möglich«, meinte Nachtigall trocken, »Kinder sind genauso gierig und unberechenbar, grausam und brutal wie der Rest der Menschheit.«
Sie parkten den Wagen vor einem Einkaufszentrum in Sachsendorf und suchten nach der Adresse von Herrn Markwart.
»Hier muss es sein – in diesem Wohnblock.«
»Schön, die Verdächtigen zweier Mordfälle rücken räumlich zusammen. Gelsenkirchener Allee. Praktisch. Das verkürzt die Wege und spart kostbare Ermittlungszeit.«
Der Wohnblock war bunt renoviert. Hinter vielen Türen war Kindergeschrei zu hören, als sie langsam durch das Treppenhaus in den vierten Stock stiegen. Eine tiefe Männerstimme brüllte über den Lärm hinweg und irgendetwas ging zu Bruch. Eine Wohnungstür wurde aufgerissen und eine wilde Bande tobte lachend die Treppen hinunter, im Schlepptau einen großen, zotteligen Hund, der begeistert bellte. Die Kinder rannten in den Hof hinaus um noch draußen zu spielen, bis es Zeit war ins Bett zu gehen. Heute war Freitag, da durften viele länger aufbleiben und Ferien hatten sie außerdem.
Herr Markwart erwartete sie schon im Flur.
Seine Wohnung war karg möbliert, es gab keine Bilder an den Wänden und die Teppiche auf dem Boden waren ausnahmslos zerschlissen. Auf einer bräunlich grünen Chintzcouch, deren Bezüge durchgewetzt waren, saß seine Schwester. Sie trug noch immer das auffällige, rote Kostüm und die hohen Pumps. Mit einem bunten Prospekt fächelte sie sich Luft zu.
Als die beiden Ermittler den Raum betraten, grüßte sie mit einer müden Geste in ihre Richtung und trat dann auf den Balkon hinaus.
»Komm wieder rein. Du lässt nur die Mücken ins Zimmer und ich habe dann heute Nacht meine Freude mit dem Viehzeug!«, wies ihr Bruder sie zurecht.
»Schön, dass wir sie hier zusammen antreffen. Wir hätten noch ein paar Fragen.«
»Ich glaube nicht, dass ich
Weitere Kostenlose Bücher