Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
wieder und starrte auf ihre Hände, die wegen der Hitze so angeschwollen waren, dass der Ehering tief einschnitt.
Als die Tür aufgerissen wurde, starrten alle die Neuankömmlinge erwartungsvoll an.
Peter Nachtigall und Albrecht Skorubski kamen herein und weder Miene noch Schritt verhehlten ihre ausgesprochen gereizte Stimmung.
»So! Wie schön. Nun haben wir sie alle mal an einem Tisch. Vier Menschen, die sich nicht kennen – und die doch so viele Aktionen gemeinsam durchführten!«, polterte Nachtigall los und sah dabei jedem intensiv in die Augen.
»Was haben Sie gedacht? Dass Sie die Polizei ewig an der Nase herumführen können?«
Trotziges Schweigen breitete sich aus.
»Was sie da gemacht haben nennt man Psychoterror! Sie haben Flugblätter verteilt mit der Behauptung, Friederike Petzold sei eine Mörderin! Obwohl das Gericht die Sache anders bewertet hat! Das ist Verleumdung, Rufmord! Gemeinschaftlich haben Sie dafür gesorgt, dass für das Mädchen die Erinnerung immer präsent blieb. Sie sollte keine Ruhe mehr haben, nicht wahr? Ihr Gewissen sollte ihr permanent ›Schuld‹ zurufen. Und was zum Teufel wollten Sie damit erreichen?«
Ein ausgesprochen wütender Hauptkommissar blitzte die Runde an. Albrecht Skorubski war froh darüber, dass dieses Gewitter sich nicht über seinem Haupt entlud. Peter Nachtigall musste den Anwesenden wie ein zwei Meter großer Racheengel vorkommen und entsprechend kleinlaut fiel auch die Reaktion der Zeugen aus.
»Wir wollten nur, dass sie ihr Leben nicht einfach so fortsetzt, als wäre nichts geschehen! Wir können das schließlich auch nicht«, war der schwache Versuch einer Rechtfertigung von Frau Peters.
»Sie hat mir meine Tochter genommen, alles, was ich hatte. Doch das Leid, das sie mir zugefügt hat, interessierte den Richter damals gar nicht. Er fällte sein Urteil im Namen des Volkes und im Sinne von Friederike Petzold. Ich werde den Zeitungskommentar nie vergessen, in dem die Rede davon war, dass man das Leben eines so jungen Mädchens nicht durch ein zu hartes Urteil belasten dürfe! Das war wie eine gewaltiger Fausthieb in die Magengrube«, fügte Frau Kamenz leise hinzu.
»Irgendwann haben wir uns gegenseitig angerufen und ein Treffen vereinbart. Auf neutralem Boden, in einem Café. Wir klagten uns gegenseitig unser Leid und beschlossen unseren eigenen ›Rachefeldzug‹, wenn sie das so nennen wollen«, die Stimme von Frau Hagedorn klang ruhig und ihre Mimik verriet, wie unbeeindruckt sie diese ganze Diskussion ließ.
»Und welche Reaktion von Friederike Petzold hätten sie sich auf ihre Aktivitäten hin gewünscht?«, Peter Nachtigall klang gefährlich.
»Ich weiß nicht, vielleicht, dass sie hier wegzieht?«, bemerkte Herr Peters und warf dem Hauptkommissar einen nachdenklichen Blick zu.
»Aber wegziehen hätte doch gar nichts gebracht! Diese Mörderin hätte dann einfach in einer anderen Stadt unbehelligt ein neues, fröhliches Leben begonnen! Als wäre nichts gewesen! Das hätte ich nicht akzeptieren können!«, widersprach Frau Kamenz vehement. »Ich werde auch nie wieder fröhlich und unbeschwert sein können! Meine Tochter ist tot!«
Angewidert betrachtete Nachtigall die Versammlung, dann warf er die Fotos auf den Tisch, die er in der Wohnung des Opfers gefunden hatte.
»Wer von Ihnen hat die gemacht?«, fragte er kalt.
»Jeder hat ein paar geknipst. Wir haben uns regelmäßig vor ihrem Haus getroffen und sind ihr gefolgt. Wobei ich wegen meiner Behinderung als Verfolgerin nicht die Idealbesetzung gewesen bin und deshalb eher vor ihrer Tür stand. Wer auch immer nah genug an sie rankam, der hat ein Bild gemacht. Für den Fall, dass sie zur Polizei geht, haben wir die Beschriftungen mit dem Computer ausgedruckt. Die Fotos fand sie dann in unregelmäßigen Abständen in ihrem Briefkasten.«
»Am Anfang war es natürlich leichter. Sie war im Grunde ständig mit irgendwas zugedröhnt, ließ das Badezimmerfenster offen oder die Terrassentür. Es war kein Problem in die Wohnung hineinzuspazieren und sie zu fotografieren. Zum Beispiel beim Sex oder im Bad. Sie hat es nicht ein einziges Mal bemerkt! Später wurde sie vorsichtiger und es wurde schwieriger an intime Fotos zu kommen«, erklärte Herr Peters.
»Wir wollten, dass sie sich ängstigt. Und das ist uns auch gelungen. Sie wurde immer nervöser.«
Frau Peters begann zu weinen. Ganz leise, fast unmerklich. Ihr Mann tätschelte ihr den Unterarm und reichte ihr ein Taschentuch. Dann wandte er
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