Seelenraub
ein. Wenn Sie sich weigern, mit uns zu kooperieren, sehe ich mich gezwungen, bei der Polizei Beschwerde einzureichen.«
Ein Kichern entwich aus Rileys Mund, ehe sie es verhindern konnte. Dann noch eins. Sie war eigentlich nicht besonders albern, aber das hier war einfach zu dämlich. Nach allem, was geschehen war, sorgte dieser Typ sich noch um Geld.
Die Miene des Mannes verfinsterte sich. »Sie nehmen das nicht ernst, Miss Blackthorne.«
Das Kichern fand ein abruptes Ende. »Ich habe vorletzte Nacht Menschen sterben sehen. Glauben Sie, dass mir das verdammte Geld jetzt noch irgendetwas bedeutet?«
»Das sollte es aber. Es sind Ihre Schulden.«
»Nein, sind es nicht. Ich bin siebzehn, also bin ich nicht verantwortlich für irgendetwas, was meine Eltern getan haben. Sie haben die Arschkarte gezogen, und das wissen Sie auch.«
Er starrte sie finster an. »Okay, dann machen wir es eben auf die harte Tour. Wir beschlagnahmen die Auszahlung der Lebensversicherung Ihres Vaters.«
Können die das einfach machen?
»Mir egal«, sagte sie. Es war ihr nicht mehr wichtig.
»Das werden Sie noch bedauern«, rief er laut.
»Fürs Bedauern bitte rechts in der Schlange anstellen«, sagte sie.
Der Schuldeneintreiber zog seinen Fuß zurück, eine Millisekunde, bevor sie die Tür zuknallte.
Als Riley den Priester der Zunft suchte, benutzte die Kirchensekretärin die Wörter »Vorläufig« und »Leichenhalle« in einem Satz und schickte sie an einen Ort irgendwo westlich der Innenstadt. Nach einigem Suchen fand sie das Gebäude, ein Musikgeschäft, in dem noch von der Sonne ausgeblichene Plakate in den Fenstern hingen, auf denen die neusten Alben angepriesen wurden, die allerdings vor mehreren Jahren erschienen waren. Jetzt diente der Laden als Heimstatt für die Toten der Zunft, da keine Leichenhalle einen Dämonenfänger aufnehmen wollte, wenn der Tod durch einen Dämon hervorgerufen worden war. Noch so ein seltsamer Aberglaube, als sei Tod durch Dämon irgendwie ansteckend. Offensichtlich hatte Vater Harrison eine mitfühlende Seele gefunden, die sich bereit erklärt hat, der Zunft diesen Ort zur Nutzung zu überlassen, bis die Fänger begraben waren.
Acht Kiefernsärge standen ordentlich aufgereiht und mit geschlossenen Deckeln in der Mitte des Ladens. An jeden Sarg war eine Karteikarte mit dem Namen des darin Liegenden geheftet. Diese acht waren erst der Anfang, denn der Leichenbeschauer hatte noch nicht alle Leichen identifiziert, und weitere lagen noch immer unter den Trümmern des Tabernakels begraben. Neben den Kopfenden der Särge stand ein Dämonenfänger, der etwa so alt war wie ihr Vater. Das war Tradition: Ein Zunftmitglied blieb bei den Toten, bis sie beerdigt wurden. Riley kannte den Namen des Mannes nicht, aber er nickte ihr mit ernster Miene zu, die ihr verriet, dass er kein Gegner war. Sie erwiderte die Geste.
Vater Harrison versuchte gerade, eine ältere Frau zu trösten. »Ich wollte nicht, dass er das macht«, sagte sie zwischen zwei Schluchzern. »Ich hab ihm gesagt, dass er noch dabei umkommt.«
Der Mann neben ihr, vermutlich ihr Ehemann, murmelte Trostworte, aber sie schienen nicht zu helfen. Die Frau schluchzte nur noch lauter. Als sie das Gebäude verließen, trat Riley beiseite, um ihnen Platz zu machen.
Vater Harrison gesellte sich zu Riley in die Tür. Er war etwa dreißig Jahre alt und hatte braune Haare und Augen, doch heute wirkte er älter und hatte dunkle Ringe unter den Augen.
»Ethans Eltern«, erklärte er. »Er war ihr einziger Sohn.«
Als ihr brennende Tränen in die Augen stiegen, suchte Riley nach einem Taschentuch. Der Priester schwieg, bis sie sich wieder im Griff hatte. Wahrscheinlich machte er das schon den ganzen Tag.
»Ich habe gehört, dass dein Vater wiederbelebt wurde«, sagte der Priester. »Es tut mir so leid.«
»Ja. Dabei dachte ich, er wäre in Sicherheit.« Sie putzte sich noch einmal die Nase, dann stopfte sie das Taschentuch in die Tasche und lehnte sich gegen die Wand. »Haben Sie von den Problemen mit dem Weihwasser gehört?«
Der Priester nickte. »Der Erzbischof hat mich angerufen. Er sagte, du hättest herausgefunden, dass manche Weihdaten falsch sind und ein Teil des Weihwassers gefälscht ist.«
»Ich habe etwas vom Händler auf dem Markt gekauft und es mit zum Treffen genommen, um es testen zu können. Das Wasser aus einigen Flaschen hat nicht richtig reagiert.«
»Getestet? Wie?«, fragte Harrison. Er lehnte sich neben sie an die Wand.
»Ich habe
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